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Das Studium und die Ausübung der Medicin durch Frauen / beleuchtet von Dr. Theodor L. W. von Bischoff
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dahin gebracht, dafs eine grofse Zahl von Familien mit Krankheiten und Störungen der mannigfaltigften Art zu kämpfen hat. Man unternehme es nur, als Fortfehritt in diefer Civilifation, dem jugendlichen weiblichen Organis­mus in noch weiterer und allgemeinerer Ausdehnung einen feinem natürlichen entgegengefetzten Entwicklungsgang, die Gehirnentwicklung auf Koften der Gefchlechtsentwicklung, zuzumuthen, und die Strafe der Natur wird in grofsartigem Maafsftabe nicht ausbleiben.

Das Gerede, dafs man nur für diejenigen Frauen oder Mädchen den Zugang zu dem Studium der Medicin ver­lange, welche entweder verheirathet, keine Kinder hätten, oder für Solche, welche fich nicht verheirathen, bezeugt einmal fchon an und für fich, dafs man den Beruf des Weibes nicht im Studiren, fondern in der Begründung und der Leitung eines Familienlebens anerkennt. Nur alfo die­jenigen, welche diefen ihren wahren Beruf verfehlen, für cliefe ift das Studium noch gut genug! Allein aufserdem fchliefst diefe Einfchränkung der Zulaffung für das Studium eine Ohnmöglichkeit für dasfelbe in fich ein. Denn fchwer- lich wird es irgend welche junge Mädchen von 1416 Jahren geben, welche jetzt fchon entfchloffen find, nicht zu heirathen oder abfolut an einer Heirath gehindert find, und ebenfo wenig werden junge Frauen in ihren früheren Jahren beftimmt wiffen, dafs fie keine Kinder bekommen. Es wird alfo wohl immer das 25. oder 26. Lebensjahr wenig- ftens herankommen, bis fich jetzt der unwiderftehliche Drang zum Studium entwickelt. Wie ift es jetzt noch möglich, dasfelbe nach allen feinen nothwendigen Entwick- lungs- und Bildungsftufen durchzumachen? das Gymnafium noch zu abfolviren und die gehörige Zeit dem Studium felbft zu widmen? Es gehört mit zu den naturgefetzlichen Verhältniffen des weiblichen Gefchlechtes, dafs es früher feine Reife erreicht, aber auch früher wieder in feinen Leiftungen zurückbleibt, als das männliche. Bei Männern