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die sie sprachen, fühlte mit ihnen die Schrecken wenn sie eingemauert, scheintot begraben, vergiftet, erdolcht oder gefoltert wurden. Ich war mit meinen Gedanken immer in einer ganz andern Welt und sah nichts von dem Elend um mich her, noch empfand ich mein eigenes Elend. Da meine Mutter nicht lesen konnte, stand meine Lektüre unter keiner Kontrolle. So las ich mit 13 Jahren jDauldeKock, aber so harmlos ließen mich die frivolen französischen Erzählungen, daß ich bis in die kleinsten Details den Inhalt wieder erzählte und nicht begriff, warum mein Bruder und sein Kollege lachten, wo ich nichts Erheiterndes ge­funden hatte. Line Stelle habe ich noch immer im Gedächtnis. Ein Marquis hatte ein Mädchen in ein Gebüsch geführt, und da stand dann ungefähr:Als sie wieder heraus traten, ging das Mädchen bleich und mit schwankenden Knien weiter. Einen letzten Blick warf sie nach dem Ort zurück wo sie ihre Unschuld verloren hatte." Was lachten da die zwei jungen Menschen, ohne daß ich eine Erklärung dafür fand.

Erzählen mußte ich sehr viel, ich erzählte sehr genau und wußte die Dialoge fast wörtlich, als hätte ich alles auswendig gelernt. Ich erlangte als Er­zählerin fastBerühmtheit". Am Sonntag Abend mußte ich oft zu meiner Meisterin kommen und dort erzählen; im Hause wo ich wohnte wurde ich von Familien eingeladen um zu erzählen und meine Mutter und mein Bruder bereiteten mir wirkliche Oual mit ihrer Lust mich erzählen zu hören, wenn alles im Bette lag, mußte ich erzählen, die anderen schliefen