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noch recht wußte, wie es geschah, hatte mich Herr Berger geküßt. Mein Erschrecken versuchte er mit den Worten zu dämpfen:Es war ja nur ein väter­licher Ruß." Er war sechsundzwanzig Jahre alt und ich fast fünfzehn.

Außer mir eilte ich an meine Arbeit. Zch wußte nicht, wie ich das Vorgefallene zu deuten hatte, den Ruß hielt ich für etwas mich beschimpfendes, aber Herr Berger hatte so mitleidig gesprochen, und mir mehr Lohn in Aussicht gestellt! Zuhause erzählte ich zwar von dem versprechen, den Ruß verschwieg ich aber, da ich mich vor meinem Bruder schämte.

Am nächsten Tag wurde ich von einer Rollegin, einem jungen blonden Mädchen, das mir am sym- patischesten von allen war, mit Vorwürfen über­häuft. Sie warf mir vor, ich hätte sie bei dem Reisen­den verdrängt, wenn bisher etwas für ihn zu tun oder etwas zu holen war, habe sie das getan; er habe sie geliebt, beteuerte sie unter Tränen und Schluchzen und nun sei durch mich alles zu Ende. Auch die anderen Arbeiterinnen stimmten dem zu; sie nannten mich eine Heuchlerin und die gnädige Frau selber fragte mich, wie mir die Rüsse desschönen Reisenden" geschmeckt haben. Durch die Glastür war der Vorgang vom Abend vorher beobachtet worden und wurde nun in dieser für mich kränkenden weise gedeutet.

)ch war gegen die Sticheleien und Spottreden wehrlos und sehnte die Stunde herbei, wo ich nach Hause gehen konnte. Es war Samstag und als ich meinen Lohn in Empfang genommen hatte, ging ich

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