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rührte sie nicht, mit frommen Sprüchen versagte sie mir jede Hilfe; jeder Mensch müsse in Demut tragen, was er sich selbst auferlegt habe, war ihr letztes Wort. So stand ich wieder auf der Straße. Es waren nur mehr wenig Leute zu sehen, die Fenster aber er­strahlten im hellen Lichterglanz und manche geputzte Tanne konnte ich sehen.

Auf keinen Fall wollte ich nach Hause gehen. Was sollte ich denn sagen? Alles gestehen? Jetzt erschien mir mein Gebühren der letzten Tage als großes Unrecht, unmöglich konnte ich das eingestehen. Dann stellte ich mir das Entsetzen meiner Mutier vor, meiner armen, geplagten Mutter, die mit jedem Kreuzer rechnen mußte und die auf mich so große Hoffnungen setzte. Konnte ich ihr jetzt soviel Schmerz und Enttäuschung bereiten? Meine Reue und meine Angst wurden immer größer. Hätte ich mich doch überwunden und wäre ich in der Fabrik geblieben, sagte ich mir. Jetzt kam mir selber alles wie Übertreibung vor, meine Angst vor dem Reisenden, meine Scham vor den Arbeiterinnen und die Besorgnis um meine An­ständigkeit. Nunmehr fühlte ich nur, wie schön es wäre, wenn ich mit meinem Arbeitslohn nach Hause gehen könnte. Ich schlug den Weg zum Flusse ein und hatte die Vorstellung, daß ins Wasser springen leichter sein müsse, als mit meiner Schuld heim zu gehen.

Als ich durch eine der vornehmsten Straßen eilte, dem neuen Ziele, dem Wasser zu, wobei mir ununter­brochen die Tränen flössen und Schluchzen meinen