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Kommen, Gehen, Stoßen und Drängen. Dann wieder Hilfegeschrei und noch größeres Gedränge, da rnan die in der furchtbaren Atmosphäre ohn­mächtig Gewordenen hinausschaffen mußte. Krüppel, die sich mühselig auf Krücken schleppten, andere Unglückliche, die vor denhalberblindeten Augen Schirme trugen; kranke Kinder auf den Armen ihrer Mütter, hochschwangere Frauen, die um ein gutes Wochen­bett baten, daneben andere, die sich von der Wall­fahrt Fruchtbarkeit erhofften. Sie alle in diesem wilden Stoßen, Zerren und Schelten. Nachher überfüllte Restaurants, wo zügellos getrunken und gelärmt wurde. Ich war abgestoßen und angewidert und machte keine Wallfahrt mehr mit. In meinem Glauben war ich zwarnoch nicht erschüttert, aber ich fand, daß man daheim würdiger beten könne, als in einer Umgebung, die eher an das Getriebe bei einem Kirch- weihfest im Dorfe, denn an ein Gotteshaus erinnerte.

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Ich las nicht nur gerne Romane und Erzählungen, ich hatte, wie schon erwähnt, angefangen, auch Klassiker und andere gute Bücher zu lesen. Auch an öffentlichen Ereignissen nahm ich lebhaften Anteil. Schon als Lehrmädchen habe ich mir oft nichts zu essen ge­gönnt, um mir eine Zeitung kaufen zu können. Aber nicht die Neuigkeiten interessierten mich, sondern die politischen Leitartikel. Jetzt, wo ich einen beständigen Verdienst hatte, kaufte ich mir eine dreimal wöchent­lich erscheinende Zeitung. Es war ein streng katho­lisches Blatt, das über die sich bemerkbar machende