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Hergott vergißt die armen Leute," konnte man sehr oft aussprechen hören. An diesem für mich wichtigen Sonntag war der ersehnte Schnee gefallen. Man mußte sich förmlich durch die Schneemassen durch­arbeiten. Die Versammlung war in einem großen Saale eines entlegenen Arbeiterbezirkes. AIs wir kamen, standen die Menschen schon Aopf an Aopf; sie rieben sich die Hände und stampften mit den Füßen um sich zu erwärmen. Ich hatte Herzklopfen und spürte, wie mein Gesicht glühte, als wir uns durch diese Menge drängten, um in die Nähe der Redner­tribüne zu gelangen. Ich war das einzige weibliche Wesen im Saale und alle Blicke, als wir uns durch­drängten, richteten sich erstaunt auf mich. Den Redner konnte ich nur undeutlich sehen, denn er war in eine Wolke von Tabak- und Zigarrenrauch gehüllt. Er sprach über:Die kapitalistische Produktionsweise".

Und wieder waren es neue Offenbarungen für mich. was ich instinktiv gefühlt hatte, aber noch nicht auszudenken vermochte, hörte ich hier klar und über­zeugend vortragen. Der Redner begann mit dem Hinweis auf den Schneefall und beleuchtete daran das verkehrte und Sinnlose dergegenwärtigen Ge­sellschaftsordnung".Das was in einer vernünftigen Gesellschaft als Llementarereignis und Verkehrshinder­nis angesehen würde, wird heute als ein Glück ge­priesen, durch das Hunderte Menschen vor dem ver­hungern bewahrt werden; Menschen, die keine Arbeit haben, nicht weil sie nicht arbeiten wollen, sondern deshalb, weil durch die wahnsinnigen Gesellschafts-