90

erzählen hörte. Sie kränkte und beleidigte mich un­aufhörlich durch die bösen Reden über die Partei, der ich mich angeschlossen hatte, wenn ich zur Polizei oder zum Untersuchungsrichter gehen mußte, so empfand sie dies als eine solche Schande, wie wenn ich ein gemeines Verbrechen begangen hätte. Da ich durch meine immer umfangreichere Tätigkeit auch öfter zu späterer Abendstunde nach Hause kam, was in ihren Augen ein anständiges Mädchen niemals durfte, so begann sie sich meiner zu schämen, wenn ich müde und abgehetzt heimkehrte, erwartete sie mich um mir eine Szene zu machen und mir zu fluchen. Uam ich mit dem Gefühl der Befriedigung nach Hause, weil ich irgendwo nützlich gewirkt hatte, so wurde mir diese Freude verbittert durch den Hohn, den ich von meiner Mutter erntete. Ich lag oft stundenlang im Bett und weinte, weinte bittere Tränen, daß gerade mir das Schicksal so abhold war. Jetzt, wo ich eine Tätigkeit hatte, die mich begeisterte, die mir Glück und Frohsinn gab, mußte ich leiden, weil meine Mutter zu alt war, um noch mit mir fühlen zu können.

Nie kam mir aber auch nur der Gedanke, mich von ihr zu trennen. Wir hatten so viel Leid mit­einander getragen, wie sollte sie nicht bei mir sein, da so viele dunkle Schatten von mir gewichen waren. Renn jetzt, wo mein Leben so viel Inhalt bekommen hatte, begann ich die trüben Gedanken an die Ver­gangenheit immer mehr zu verlieren. Ich fühlte mich gesund und stark genug, um auch die schwersten Mühen meiner selbstgewählten Tätigkeit zu ertragen. Nur