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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Versammlungen zuerst von unserer Seite geprüft werden, bevor sie in die Öffentlichkeit kommen.

Ich werde nunmehr mit der Vernehmung beginnen. Für die heutige Sitzung sind Hiebei die Steindruckerei, die Buchbinderei und die Cartounage- waaren-Erzeugung in Aussicht genommen. Ich ersuche Herrn Experten Kügler, uns Mittheilungen zu machen. Experte Kügler: Ich spreche hier als Experte für unsere Branche, nämlich die der Steindrucken, und zwar speciell in Beziehung auf die Hilfsarbeiterinnen, die in derselben beschäftigt sind. Unsere Branche hat circa 1400 Angehörige. Von diesen sind etwa 650 Gehilfen, Steindrucken, Kupferdrucken rc., und 750 Hilfsarbeiter, von den Letzteren etwa zwei Drittel weibliche.

Der Betrieb unseres Gewerbes, der hauptsächlich noch ein kleingewerb­licher ist «nur einige große Fabriken machen eine Ausnahme), erfolgt mit Dampf, Gas oder Elektricität, zum größten Theil aber mit Gasmotoren. Handbetriebe findet man sehr selten, nur in jenen kleinen Anstalten, welche keine Dampf- oder Gasmotoren haben, kommen noch Handpressen zur Anwendung. Die Schäden, die in unserer Branche existiren, sind hauptsächlich durch die Loealitäten und durch die Materialien hervorgerufen, die in mancher Hinsicht gesundheitsschädlich sind und Berufskrankheiten hervorrufen, wie Tnlwrculose,Netzhautkrankheiten und andere Augenkrankheiten, Flechten u.s.w.

Was die Vocale betrifft, so ist ein großer Percentsatz davon unterirdische Kellerlocalitäten, wo beinahe den ganzen Tag Gaslicht brennen muß. Das Terpentin, das verbraucht wird, entwickelt gesundheitsschädliche Gase.

Was die Aborte betrifft, so findet mau es sehr selten, daß dieselben für weibliche und männliche Bedienstete abgesondert sind. Sehr häufig geht mau nicht aus einem abgesonderten Raum, etwa aus dem Vorhause, sondern direct aus dem Arbeitsraum in den Abort hinein. Waschvorrichtungen, Ankleidekammern, respective Garderobekästen, sind sehr selten. Es haben wohl anerkenuenswerthermcise einige größere Anstalten solche Einrichtungen getroffen, bei der großen Mehrzahl der Anstalten existiren aber keine.

Was die Löhne betrifft, so beträgt das Minimum bei den weiblichen Hilfsarbeiterinnen fl. 2, sogar fl. 1'50 pro Woche und steigen die Löhne bis aus sl. T50 oder 4 im Durchschnitt. Der höchste Lohn beträgt fl. 9; ein einziger Fall ist vorhanden, wo fl. 10 gezahlt werden. Mehr als den Durchschuittslohn bekommen aber nur jene, welche sich durch Jahre zu dieser Arbeit qualisiciren und eine Lehrzeit durchgemacht haben. Auch hat nicht jeder die Fähigkeit, sich so gut in der Arbeit einzuüben. Löhne von fl. 5 bis 6 sind schon Ausnahmen.

Die maschinelle Technik wird die höher bezahlten Arbeiterinnen in der Zukunft überflüssig machen, indem eine Maschine, welche die Arbeit einer sehr tüchtigen Arbeiterin verrichtet, zum Beispiel die Arbeit des Punktirens, durch eine minder gebildete Arbeiterin besorgt werden kaun.

Ferner müssen wir uns über den Mangel an Schutzvorrichtungen be­klagen. Wiewohl das löbliche Gewerbe Jnspectorat sich alle Mühe gibt, Ab­hilfe zu schassen, so kommen die Jnspectoren doch nicht überall hin, weil zu wenig Kräfte zur Verfügung stehen. Wenn Uebelstände dem Gewerbe- Juspectorat angezeigt werden, so erfolgt allerdings eine Intervention, es kommt ein Besuch, der aber meist sogar früher angemeldet wird. Der Uebelstand bleibt aber trotzdem bestehen, man müßte wieder eine Anzeige machen, und da würde sich der Arbeiter der Gefahr aussetzen, gemaßregelt zu werden.

Vorsitzender: Welcher Theil der Arbeit, die in der Steindruckerei zu verrichten ist, entfällt aus Arbeiterinnen, und worin besteht das Technische, das sie durchführen müssen? Exp. .Kügler: Hier ist zunächst das Bronziren zu erwähnen; dieses besteht darin, daß der Druck mit Metall­staub übertragen wird, so daß er die Farbe des Metallstaubes annimmt.