Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
9
Einzelbild herunterladen

9

Vorsitzender: Ohne Rücksicht darauf, ob viel oder wenig Arbeit ist? Exp. Nr. 1: Ja, aber es gibt immer viel und sehr selten wenig Arbeit.

Dr. Bkezina: Wie lange haben Sie mit dem niedersten Lohnsatz gearbeitet? Und in welchen Zeiten hat sich Ihr Lohn gehoben? Expertin Nr. 1: Ich war zunächst sechs Wochen beim Bronzircn, da habe ich sl. 3 bekommen; damals waren eben noch bessere Zeiten. Dann war ich vielleicht vier Monate beim Auslegen und habe auch fl. 3 bekommen. Tann kam ich zum Schöndruckeinlegen, wo ich zwei Jahre lang fl. 4 bekommen habe. Ich habe eben Glück gehabt und bin rasch zur Maschine gekommen. Jch^ war sechs Jahre dort und habe zum Schluß sl. 7 bekommen. Jetzt habe ich sl. 10.

Dr. Brezina: Wie viele von den Arbeiterinnen in dem Groß­betriebe, in dem Sie früher waren, sind Bronzirerinnen, wie viel Aus- legerinnen, Einlegerinnen und Punktirerinnen? Exp. Nr. 1: Bronzirerinnen waren ungefähr 20 mit etwa fl. 3, Auslegerinnen waren sehr wenig, Ein­legerinnen waren bei etwa 30 bis 40 Maschinen beschäftigt, und zwar sowohl junge wie auch gewiegte Arbeiterinnen mit dem Lohn von fl. 3 bis 7.

Dr. Verkauf: Kommt es vor, daß beim Steindruck eine und die­selbe Arbeiterin mehrere Maschinen bedient? Exp. Nr. 1: Manchmal.

Dr. Verkauf: Ist die Arbeit Physisch anstrengend? Exp. Nr. 1: Gewiß. Die Maschinen machen 10 bis 11 Druck in der Minute, und da muß man sich immer hin und her bewegen, und so geht's den ganzen Tag. Man fühlr sich schon zu Mittag sehr matt und erschöpft. Am Morgen thun Einem noch die Füße weh. Man bekommt Husten u. s. w. Speciell bei Groß­format ist die Arbeit sehr schwer; man muß so weit auslangen, als man nur kann und muß dabei ganz ruhig aus dem Schemel stehen.

Dr. Verkauf: Haben Sie Wochenlohn oder Stundenlohn? Exp. Nr. 1: Der Lohn wird wöchentlich ausbezahlt, wenn ich aber eine Stunde oder einen Tag nicht arbeite, so wird mir abgezogen.

Bardors: Es ist also eine qualificirte Arbeit, die schwer zu erlernen ist? Exp. Nr. 1: Ja.

Dr. Ofner: Gibt's unter den Mädchen von 22 Jahren aufwärts auch noch solche, die bronziren? Exp. Nr. 1: Gewiß. Auch noch später, selbst mit 40 Jahren.

Vorsitzender: Was wird Ihnen abgezogen, wenn Sie weniger arbeiten, und was bekommen Sie für Ueberstnnden? Exp. Nr. 1: Wenn eine Pause eintritt, die durch den Betrieb bedingt ist, so wird nichts ab­gezogen. Wenn ich aber fortgehen muß, um meine Privatangelegenheiten zu besorgen, so wird mir abgezogen, und zwar 2 kr. vom wöchentlichen Lohn­gulden pro Stunde; ebensoviel wird auch für Ueberstunden daraufgezahlt.

Vorsitzender: Wie viel Stunden arbeiten Sie? Exp. Nr. 1: 9'Z Stunden.

Dr. Verkauf: Treten in Folge von Betriebsverhältnissen Pausen ein? Wie lange dauern diese? Exp. Nr. 1: Wenn hergerichtet werden muß, yr bis 1 Stunde, manchmal bis 14,2 Stunden. Im Winter arbeiten wir von V28 bis 7 Uhr, im Sommer von 7 bis ü Uhr.

Frl. Bosch ek: Ist es in Ihrem Arbeitsraume kalt oder warm? Exp. Nr. 1: Im Winter ist es oft so kalt, daß Einem die Hände erstarren, im Sommer ist es furchtbar heiß.

Frl. Boschek: Wie lange arbeiten die Frauen, die schwanger sind, bei den Maschinen? Exp. Nr. 1: Ja, so lange sie können, acht Monate.

Frl. Boschek: Ich habe die Erfahrung, daß die Principale, wenn sie bemerken, daß die Arbeiterinnen schwanger sind, diese in der Mitte der Zeit entlassen. -- Exp. Nr. 1: Das ist mir auch schon passirt; aber in der Werkstätte, wo ich jetzt bin, kommt das nicht vor, weil das Geschäft zu klein ist und der Herr zu sehr aus die Arbeiterinnen angewiesen ist.