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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Grundlage dient. Nach den Ausweisen waren in den früheren Jahren etwa 60 Percent männliche und 40 Percent weibliche Arbeiter. Dieses Verhältniß hat sich seit dem Jahre 1889 um zwei bis drei Percent verschoben. Heute hat man 58 Percent männliche und 42 Percent weibliche Arbeiter; das ist aber mit Vorsicht aufzunehmen, denn es sind diese Zahlen für den ganzen Umfang der Genossenschaft in Wien berechnet, und die Genossenschaft besteht aus den Buchbindern, Galanteriewaaren-Erzeugern, Futteralmachern und Cartonnagearbeitern.

In der Branche der Ledergalanterie- und der Fntteralmacher sind aber fast gar keine weiblichen Kräfte. Nach den letzten Ausweisen sind in der ersteren Branche 622, in der letzteren 450 Arbeiter. Es entfallen also über 1000 Arbeiter, also .60 Percent aus Branchen, in denen es überhaupt gar keine Frauenarbeit gibt. In Folge dessen verschiebt sich das Verhältniß derart, daß in der Buchbinderei mehr als 50 Percent und in der Cartonnage mehr als 90 Percent Frauen sind. Die Arbeitstheilung ist in dem Gewerbe der Buchbinderei eine sehr starke. Vor 25 Jahren war sie in diesem Maße noch nicht vorhanden. Gewisse Arbeiten werden deshalb heute von den Frauen vollständig beherrscht. Vor 15 Jahren war es noch unmöglich, daß die Broschüren rein von Frauen hergestellt werden konnten. Früher haben die Frauen nur gesalzt, zusammengetragen und geheftet. Gegenwärtig aber wird die Broschüren-Jndustrie nur von Frauen beherrscht, und die Arbeiter bekommen die Broschüren nur in die Hand, wenn diese beschnitten werden. Bei den Büchern verrichten die Frauen die Arbeit des Falzens, Zusammen­tragens und Hestens, und den Rest der Arbeit, das eigentliche Einbinden, besorgen die Männer. Beim Goldanftragen sind lediglich Frauen beschäftigt, während es selbst heute noch vorkommt, daß beim Falzen und Heften Männer beschäftigt sind; so in der Werkstücke der Hof-Buchbinderei I a n k, denn dort werden überhaupt keine Frauen beschäftigt. Auch das Goldanftragen wird in Werkstätten, wo überhaupt keine Frauen sind, von Männern besorgt. Aber im Allgemeinen verrichten durchwegs Frauen diese Arbeit. Bezüglich der Maschinenarbeit haben sich die Verhältnisse seit 15 Jahren vollständig geändert Früher wurde Alles mit der Hand geheftet, heute meistens mit Draht. Handarbeit kommt nur dann vor, wenn sich Private ein Buch binden lassen, aber der große Bedarf, das sind Schulbücher, Kalender rc., wird mit Draht geheftet.

Die Löhne schwanken sehr. Es ist da der Stücklohn im Auge zu behalten. Wo der Wochenlohn vorkommt, dort ist er in Wirklichkeit auch unr­ein Stücklohn. Man zahlt in den Werkstätten, wo Schulbücher erzeugt und vielleicht Millionen von Bogen geheftet werden, einen Wochenlohn von fl. 4. Wenn die Arbeiterin eine gewipe Anzahl Bogen wöchentlich gesalzt hat, so bekommt sie eine Zulage von 50 kr. oder fl. 1, je nachdem, wie viel sie gesalzt hat. Falzt sie aber weniger als eine bestimmte Anzahl von Bogen, so bekommt sie nicht den vollen Lohn von fl. 4. Sie sehen also, daß es sich eigentlich um Stücklohn, handelt. Der Lohn schwankt zwischen fl. 1'50 und sl. 2 bis 8. sl. 8 dürfte der höchste Lohn für Frauen sein. Wenn viel­leicht unter den l900 Arbeiterinnen der Branche eine oder zwei fl. 9 haben, so kommt das keineswegs in Betracht. Die Tendenz des Lohnes ist eine sinkende. In den Siebziger-Jahren, znr Zeit des industriellen Aufschwunges, war der Lohn besser wie heute. Die Maschinen haben heute vielfach die Handarbeit verdrängt. Die Arbeit ist vereinfacht und wird deshalb auch niedriger entlohnt. Die Frauenlöhne üben einen Druck aus die Löhne der Münner aus. Gewisse Arbeiten sind den Männern entzogen worden, weil sie von Frauen billiger hergestellt werden. Die Krankheits- und Sterblichkeits­verhältnisse sind sehr schlecht. Im Jahre 1894 waren 64 Percent der weib­lichen Hilfsarbeiter im Alter von 21 bis 60 Jahren, 48 Percent, also nahezu die Halste, waren im Alter zwischen 15 und 20 Jahren. Die