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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Dr. Adler: Haben Sie in Ihrem Geschäft auch eine Saison, und wann ist dieselbe? Exp. Hantschel: In dem Geschäft, wo ich bin, haben wir eine Frühjahrs- und eine Herbstsaison; in anderen haben sie wieder eine Sommer- und eine Wintersaison; das ist also verschieden. In der Saison haben wir zehnstündige Arbeitszeit und vier Ueberstunden wöchentlich, indem wir Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag bis 7 Uhr anstatt bis 6 Uhr arbeiten. Wir fabriciren Pack- und Cravatten- schachteln.

Dr. Adler: Werden die Arbeiterinnen nur für die Saison auf­genommen? Exp. Hantschel: Meistentheils behält der Herr die Arbeiterinnen auch außer der Saison, aber er reducirt ihren Lohn. Uebrigens geht das sprungweise. Manchmal arbeiten wir Anfangs der Woche nur bis 4 Uhr, und Ende der Woche haben wir fchon Ueberstunden.

Dr. Ofuer: Wie viel bekommen die Arbeiterinnen außerhalb der Saison? Exp. Hantschel: Das wird nach Stunden berechnet. Wenn eine Arbeiterin fl. 4 oder 4'50 hat, so bekommt sie außerhalb der Saison vielleicht fl. 3'50.

Der Vorsitzende schließt die Sitzung.

2. Sitzung, Sonntag, 1. Wär;, Nachmittag.

Vorsitzender: Dr. Verkauf.

Beginn 3 Uhr 20 Minuten.

Vorsitzender: Ich ersuche den Herrn Experten Strnad, als Vertreter der Krankenkasse uns Auskunft zu geben, und zwar speciell über jene Punkte, welche er als Krankencaffe-Rechnungssührer genau kennt.

Experte Strnad: Mit Ende December des Jahres 1895 war die Zahl der männlichen Mitglieder 2743, die der weiblichen 2150. In den Vorjahren stellten sich diese Ziffern wie folgt:

Im Jahre 1890 : 2571 männliche, 1765 weibliche Mitglieder

1892 : 2495

1815

1893 : 2572 1887

1894:2740 1980

In unserer Krankenkasse sind folgende Branchen vertreten: Die Buch­binderei, die Ledergalanteriearbeit, die Cartonagearbeit, die Futteralarbeit und die Rastrirarbeit. Aus der vorgetragenen Tabelle ergibt sich ein Wachsthum der weiblichen Mitgliederzahl, da speciell bei den Cartonage- arbeiten eine Vermehrung der weiblichen Arbeitskräfte platzgegriffen hat und einige neue Unternehmungen in der Cartouagebranche errichtet wurden. In der Buchbinderei hat es die technische Entwicklung mit sich gebracht, daß weibliche Hilfsarbeiteriunen in größerer Anzahl beschäftigt werden. Daß gleichwohl die Zahl der männlichen Mitglieder nicht herabgegangen ist, ist dadurch begründet, daß das Buchbindergewerbe im Aufblühen begriffen ist. Bezüglich der Fluctuation im Gewerbe während eines Jahres kann ich Folgendes mittheilen: Ende December 1895 gehörten der Buchbindereibranche 930 Hilfsarbeiterinnen an, von denen im Lause des Jahres 299 neu ein­getreten waren. Von diesen sind 119 von ihrem ersten Arbeitsort wieder aus-