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Wie es gewöhnlich ist. Entweder gar nichts oder ein Stück trockenes Brot oder ein Lackerl Kaffee.
Vorsitzender: Ja, woher nehmen dann die Arbeiterinnen die Kräfte? — Exp. Nr. 12: Darnach wird nicht gefragt. Darum find die Cartonage-Arbeiterinnen meistens krank.
Vorsitzender: Wie ist es mit dem Nachtmahl? — Exp. Nr. 12: Je nachdem. Wenn die Arbeiterin Eltern hat, die etwas thun können für sie, so bekommt sie etwas Gekochtes, aber die meisten sind zu Bett ein- gemiethet und haben am Abend nur Wurst und ein Stück Brot.
Vorsitzender: Wie groß ist die Ausgabe für die Wohnung? — Exp. Nr. 12: Für's Bett ist pro Woche fl. 1 zu zahlen. '
Vorsitzender: Was bleibt dann von dem Lohn für die Kleidung? — Exp. Nr. 12: Das ist leider bei den Cartonage-Arbeiterinnen sehr traurig. Es wird jede verachtet, weil es heißt: „Schaut's die an, wie die daherkommt!" Aber es ist leider nicht anders möglich. Bei dem Lohn kann man sich ja nicht einmal das bischen Kaffee ordentlich zahlen. Es ist unmöglich, daß sie sich da auch noch die Kleidung zahlen. Das Mädchen, welches bei . . ist, muß sich den Rock, den sie am Samstag Abends ausgezogen hat, am Sonntag waschen, trocknen und bügeln und Montag wieder anziehen. Mit der Beschuhung ist es nicht besser. Es kommt öfter vor, daß den Arbeiterinnen im größten Winter die Zehen Herausstehen.
Vorsitzender: Wie ist es mit dem Arbeitslocal? — Exp. Nr. 12: Das ist nicht so schlecht. Wie ich dort war, waren die Arbeiterinnen im ersten Stock, die Zuschneider im Keller; dann ist ein Magazin für die Cartons. In dem Saale waren 30 Arbeiterinnen. Er ist nicht schlecht und hat sechs Fenster. Hingegen ist es sehr staubig. Wenn man Nachts nach Hanse geht, thut Einem die Brust weh, wenn man fleißig gearbeitet hat, vom Staub und Leimgestank, Deckel- und Papierstanb. Husten ist häufig.
Vorsitzender: Wie ist es mit der Reinigung des Vocals? — Exp. Nr. 12: Wie es der Frau beliebt. Wenn sie reinlich ist, so läßt sie reiben, oder die Arbeiterinnen sind gezwungen — das ist bei unserer Branche häufig — um die Mittagsstunde, anstatt auszurasten und anständig zu essen, selbst alles abzureiben, wenn sie nicht ersticken wollen. Die Arbeiterin sitzt aus einem Stockerl, wie man's in der Küche hat, vor einem Tisch. Das muß sie selbst abreiben, auch den Fußboden. Dafür wird nicht besonders gezahlt.
Vo rsitzender: Wo also Niemand steht, bleibt der Schmutz? — Exp. Nr. 12: Ja, außer die Frau oder der Herr lassen aufreiben. Aber sie wollen nicht. Sie sagen: „Zu was seid's ös da? Sitzt's und schaut's oder reibt's!"
Vorsitzender: Wie ist es mit der Ventilation? — Exp. Nr. 12: Er ist einmal gestraft worden, da hat er's mächen müssen. Ich möchte betonen, daß es bei . .. mit den Schimpfnamen sehr arg ist, wenn nur das Geringste vorkommt bei den Arbeiterinnen. „Sie Dreckluder, Sie Dreckvieh, Sie Schlampen, Sie Fetzen, ich schmeiß' Sie hinaus, Sie Rindvieh!" Das geht den ganzen Tag. Wenn sich Eine aufhält, sagt er: „Wenn es Ihnen nicht paßt, so gehen Sie, Sie Luder. Ich schmeiß' Sie sofort hinaus, wenn Sie noch ein Wort sagen!"
Vorsitzender: Gibt's dort auch Werkführer? — Exp. Nr. 12: Nein. Die Frau theilt die Arbeit aus. In unserer Branche sind immer mehr Mädchen. Häufig sind die Mädchen 13 bis 14 Jahre alt. Ich bin 23 Jahre alt und bin schon 12 Jahre beim Geschäft. Jetzt darf das nicht sein, weil es wegen der Schule strenger ist.
V orsitzender: Vor 12 Jahren war es auch schon so, da war auch schon die allgemeine Schulpflicht. — Exp. Nr. 12: Aber die Gewerbeordnung war nicht in diesem Sinne durchgeführt.