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Mädchen müssen herumlaufen, um zu liefern, und Nachts arbeiten. Das weiß ich von vielen Geschäften aus. Ich selbst bin nicht Blumenmacherin, sondern Federnschmückerin.

Vorsitzende: Wir wollen also zur Federnschmückerei übergehen. Exp. Nr. 21: Unser Geschäft zerfällt in zwei Artikel: Strauß und Phantasie. Es wird Alles mit der Hand gemacht und nur eine Maschine verwendet, um die Federn auszudunsten. Diese wird in größeren Geschäften mit Gas, in kleineren mit Spiritus geheizt. Aus dein Kessel geht ein Schlauch heraus. Unfälle kommen nicht vor, außer es ist Jemand sehr unvorsichtig. Der Dunst ist aber sehr ungesund, und es bekommen Viele Kopfschmerzen davon. Auch ist eine sehr geringe Ventilation, und da oft 50 bis 60 Seilte in einem Zimmer beisammen sind, ist der Aufenthalt sehr ungesund. Ich bin Phantasiearbeiterin. Die theueren Federn von exotischen Vögeln werden vom Auslande bezogen, die billigeren von hier. Die Federn werden gewaschen, gedunstet und dann zusammengestellt. Gefärbt werden sie beim Färber, damit haben wir nichts zu thun. Stur die weißen werden gewaschen und geputzt, und zwar mit Wasser oder Seife. Dazu ist kein Apparat nothwendig. Tann werden die Federn gebunden oder geklebt.

Vorsitzende: Werden die Böget nicht auch ausgestopft ? Expertin Nr. 21: Wenn die Vögel im Ganzen verwendet werden, so wird der Inhalt herausgenommen und durch Watta, Baumwolle oder Draht ersetzt.

Vorsitzende: Werden die Vögel mit Gift präparirt? Exp. Nr. 21: Meistens wird Naphthalin verwendet. Arsenik kommt mich oft vor, besonders wenn die Bälge viel Fettstoff haben. Aber daran ist noch Niemand erkrankt.

Herrdegen: Wie ist die Arbeitstheilung? Welche Arbeit machen die Anfängerinnen und welche die Fortgeschrittenen? Exp. Nr. 21: Die geringe Arbeit machen die Hilfsarbeiterinnen, und die tüchtigsten Arbeiterinnen machen die Arbeit fertig, zum Beispiel das Binden und dergleichen; kleinere Zusammenstellungen machen die ausgelernten Hilfsarbeiterinnen.^ Es gibt in Wien circa sechs große Geschäfte, welche für die anderen liefern. Ich bin in einem großen. Mindere Waare wird von hier bezogen oder auch von auswärts. Die feinste Waare kommt aus Paris. Von hier aus wird die meiste Waare verschickt.

Wittelsh öfer: Ist der Kessel im Arbeitslocal? Exp. Nr. 21: Ja!

Wittelshöser: Ist es nothwendig? Exp. Nr. 21: Ja, weil man das immer bei der Hand haben muß.

Herrdegen: Kommen da nicht Verbrühungen vor? Exp. Nr. 21: Wenn das vorkommt, so ist nur die Ungeschicklichkeit schuld. Mit Benzin ist schon viel Unglück vorgekommen, aber nur durch Nachlässigkeit.

Vorsitzende: Wie Viele sind beim Kessel beschäftigt? Exp. Nr. 21: Bei uns sind°zwei große Kessel, und es sind sechs Arbeiterinnen beschäftigt. Wir haben 50 Arbeiterinnen und vier Lehrmädchen. Beim Kessel sind die Hilfsarbeiterinnen oder die Freigewordenen, die man noch nicht anders verwenden kann. Es gibt eben Mädchen, die sich zu nichts verwenden laffen. Es ist ihre eigene Nachlässigkeit, daß sie nichts gelernt haben. In vielen Geschäften werden sie die ganzen drei Jahre nur zum Laufen verwendet, und erst Nachts kommen sie zur Arbeit. Da sind sie schläfrig.

Herrdegen: Lernen die Lehrmädchen nur einen Theil der Arbeit oder sollen sie im Stande sein, sobald sie ausgelernt haben, auch bessere Arbeiten zusammenzustellen, wozu eine gewisse Geschicklichkeit gehört? Exp. Nr. 21: Sie sollen Alles können. Aber es ist doch nicht möglich, dazu muß man eine längere Praxis haben.

Herrdegen: Wie viele Lehrmädchen sind bei Ihnen? Exp. Nr. 21: Bei uns sind vier. Es gibt aber kleine Geschäfte, wo fünf Arbeiterinnen und oft zehn bis zwölf Lehrmädchen sind. Es sollen aber in einem Geschäfte nicht mehr als fünf erlaubt sein.