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Exp. Nr. 22: Die meisten haben ja einen gewissen Künstlerstolz in sich. Das sind aristokratische Arbeiterinnen.

Vorsitzende: Haben viele ihre Eltern zu unterstützen? Expertin Nr. 23: Manche.

Vorsitzende: Oder Geschwister, oder Kinder? Exp. Nr. 23: Das kommt schon vor.

Engel: Gehören Sie heute der Krankenversicherung an? Expertin Nr. 23: Ich nicht.

Engel: Haben Sie einer solchen als Arbeiterin angehört? Exp. Nr. 23: Ja.

Engel: Wie viel haben Sie gezablt? Exp. Nr. 23: Monatlich 40 kr., der Herr 20 kr.

Engel: Warum gehören Sie nicht jetzt einer Krankenkasse an? Exp. Nr. 23: Weil wir nur einen Arzt haben, der gehört für ganz Wien. Wenn eine in Simmering oder Ottakring wohnt, so kann sie lange warten, bis der Arzt kommt.

Engel: Sind Sie bei der Unfallversicherung? Exp. dir. 23 : Nein.

Dr. Verkauf: Frau Exp. Nr. 22, Sie sind 24 Jahre im Betriebe und haben schon verschiedene Betriebe kennen gelernt, größere und kleinere, oder etwa nur eine Kategorie? Exp. Nr. 22: Größere und kleinere.

Dr. Verkauf: Sagen Sie mir, ist die Saison überall gleichmäßig, oder macht sie sich irgendwo bei den Arbeiterinnen stärker bemerkbar? In welchen Betrieben werden mehr entlassen? Exp. Nr. 22: In den kleineren.

Dr. Verkauf: Woher kommt das? Exp. Nr. 22: Weil diese für die größeren liefern. Sie arbeiten für Exporthäuser, während der Fabrikant selbst exportirt. In Wien gibt es vielleicht zehn Exporthäuser. Nach welchen Gegenden die Waaren verschickt werden, weiß ich nicht. Aber größtentheils gehen sie in's Ausland.

Dr. Verkauf: Wie groß ist die Zahl der Arbeiterinnen, die voll­ständig außer der Fabrik arbeiten? Exp. Nr. 22 : Das kann ich nicht sagen.

Dr. Verkauf: Sind es mehr als diejenigen, welche im Geschäfte arbeiten? Exp. Nr. 22: Es sind bedeutend weniger.

Dr. Verkauf: Ist die Zahl der Subunternehmer bedeutend, und ist sie im Wachsen begriffen? Exp. Nr. 22: Sie sind im Abnehmen begriffen.

Dr. Verkauf: Wie erklären Sie das? Exp. Nr. 22: Weil die Behörde daraufgekommen ist. Ich bin auch angezeigt worden.

Dr. Verkauf: Sie sagen, daß die Arbeiterinnen aus besseren Häusern stammen. Was verstehen Sie darunter? Exp. Nr. 22: Kleine Gewerbe­treibende, Schuhmacher, Tischler, auch Beamte.

Dr. Verkauf: Wie suchen Sie dieses Geschäft auf ? Exp. Nr. 22: Theils durch Inserate, theils durch Recommandation. Die Herren inseriren nämlich. Die Eltern gehen hin, und da werden die Bedingungen vereinbart; schriftliche Verträge 'werden nicht geschlossen. Es wird auch nicht gleich auf- gedungen. Nach dem Statut ist eine dreimonatliche Probezeit. Ein anständiger Herr rechnet aber diese drei Monate beim Aufdingen ein. Es kommt jedoch vor, daß die Mädchen nach drei Monaten weggegeben werden. Die Herren sagen, man kann sie nicht brauchen. Gewöhnlich geschieht dies, wenn die Saison zu Ende ist.

Dr. Verkauf: Inseriren die größeren Geschäfte auch nach der Saison? Exp. Nr. 22: Ja. Die Lehrmädchen werden da zum Liefern- gehen und anderen Gängen verwendet.

Dr. Verkauf: Kommt das häufig vor, daß die Lehrmädchen erst später aufgedungen werden? Exp. Nr. 22: Ja.

Dr. Verkauf: Wie viel Lehrmädchen darf ein Geschäftsinhaber