Vorsitzende: Wie sind die Sittlichkeitsverhältnisse? Expertin Nr. 22: Die Arbeiterinnen sollen sich den Launen der Harren hingeben. Ich kenne eine Federnschmückerin, eine Frau, die in anderen Umständen war; sie ist um Arbeit gekommen, und da hat der Herr ihr gesagt, wenn sie das thut, wird er ihr Arbeit geben.

Tr. Verkauf: Ist das etwas förmlich Systematisches? Expertin Nr. 22: Bereits, auch in größeren Betrieben. Die Arheiterinnen, die sich den Wünschen des Herrn gefügig zeigen, haben den Vorzug. Expertin Nr. 23: Das ist nicht so. Exp. Nr. 22: Vielleicht sind Sie gerade so glücklich, ich könnte da Namen nennen.

Tr. Verkauf: Sind diese Betriebe unter den Arbeiterinnen bekannt?

Exp. Nr. 22 : O ja. Es gibt viele Arbeiterinnen, die mit dem Herrn Kinder haben, sogar unter den Lehrmädchen gibt es solche.

Tr. Verkauf: Das müßte man ja von der Krankenkasse aus erfahren. Exp. Nr. 22: Von dort kriegen sie nichts, und der Vorstand sagt einfach: Natürlich, Ihr bringt's alle Jahr ein kleines Kind, und dann seid Ihr immer krank. Wir haben eine Gewerkschaft gründen wollen, damit sich die Arbeiterinnen organisiren, es ist aber keine beigetreten; lieber ver­zichtet sie aus ihr Krankengeld.

Tr. Verkauf: Aus Furcht, oder haben sie keine Kenntniß? Exp. Nr. 22: Es wird beides sein. Ich habe mir viel Mühe gegeben, aber es herrscht eine große Gleichgiltigkeit.

Tr. Verkauf: Werden Maßregeln gegen die Organisirnng versucht?

Exp. Nr. 22: Das habe ich nicht gesunden, aber die Herren haben gesagt, wenn sich die Arveiterinnen anschließen, brauchen sie nicht mehr in die Arbeit zu kommen. Bei Einem ist gesagt worden: Geht's zu Euerem Verein und bleibt's dabei.

V orsitzend e: Eine Organisation haben sie nicht. Aber die Mädchen haben doch ein Bedürfniß nach Geselligkeit. Wo suchen sie dieses zu befriedigen?

Exp. Nr. 22: Das ist verschieden. Viele gehen in die Tanzschule und zahlen dort 10 kr., das ist ihr Alles.

Vorsitzende: Haben sie kein weiteres Verlangen? Nach Lectüre etwa? Exp. Nr. 22: Darnach nicht.

Vorsitzende: Gehören sie anderen Vereinen, fachlichen oder Gesellia- kettsveremen an? Exp. Nr. 22: Einige, aber nur sehr wenige.

Tr. Verkauf: Früher ist gesagt worden, daß die meisten Arbeiterinnen Wienerinnen sind. Exp. Nr. 22: Das ist größtenteils der Fall.

Dr. Verkauf: Und die Unternehmerinnen? Exp. Nr. 22: Das ist verschieden.

Dr. Verkauf: Kommt es vor, daß sich Arbeiterinnen zu Unter­nehmerinnen ausbilden? Exp. Nr. 22: O ja.

Tr. Verkauf: Arbeiten sie auch dann mit? Exp. Nr. 22: Sie müssen ja.

Tr. Verkauf: Arbeiten sie da weniger? Exp. Nr. 22: Ich bin als Arbeiterin besser gestanden.

Tr. Verkauf: Wie kommt das? Exp. Nr. 22: Das weiß ich nicht, ^zch arbeite mit meiner Tochter, und es bleibt mir nicht so viel, als wie ich im Geschäft gehabt habe.

Dr. Ofiler: Sie haben gesagt, daß die Unternehmer mit den Arbeitern auch Vertrüge abschließen. Was für Lohnbedingnngen werden da gestellt?

Exp. Nr. 22: Sie haben einen gewissen Lohn, und wenn die Saison schlechter wird, so wird ihnen vom Lohne etwas abgerissen. Der Lohn beträgt fl. 10, 8, 6, je nachdem die Arbeiterin ist. fl. 10 ist der höchste Lohn. So viel Dutzend Eine macht, darnach wird sie bezahlt.

Dr. Ofuer: Wie viel wird für ein Tut,end gerechnet? Exp. Nr. 22: 20, 30 bis 50 kr. '