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Dr. Osner: Und wie viel wird in der Woche geliefert? — Exp. Nr. 22: Das kann ich nicht so genau sagen. Ich habe etwa 10 bis 12 Dutzend zu 20 kr. pro Tag geliefert.
Exp. Eßl: Ich möchte nur erwähnen, daß in der Blumenmacher- branche ein Fall vorgekommen ist, daß der Gewerbe-Inhaber einem Mädchen hat Gewalt anthun wollen. Die Arbeiterin hat sich nicht herbeigelassen, und am anderen Tage ist sie von ihrer Mutter abgeholt worden. Derselbe Gewerbe- Inhaber hat auch mit anderen Arbeiterinnen Verhältnisse. Es wurde im Gehilfenausschuß bekanntgegeben, daß fast alle Lehrmädchen, wenn sie sich nicht dem Herrn geneigt zeigen, überhaupt nicht freigesprochen werden.
Vorsitzende: Kommen die Mädchen selten in die Kirche? — Exp. Nr. 22: Selten, sie werden mitunter geschickt, aber nur in der Früh vor 6 Uhr.
Vorsitzende: Werden sie auch in die Predigt geschickt? — Expertin Nr. 22: Das kommt sehr selten vor; es gibt schon einige Herren, die das thun, aber das sind Ausnahmen, und da müssen die Lehrmädchen für die Frau beten.
Dr. Adler (zur Exp. Nr. 21»: Ich habe den Eindruck gehabt, daß Sie nicht mit Allem einverstanden sind. — Exp. Nr. 21: In manchen Punkten bin ich nicht einverstanden. Ich war in vier bis fünf Geschäften, aber mir sind solche Fälle nicht vorgekommen.
Dr. Adler: Aber so etwas hört man ja auch. — Exp. Nr. 21: Ich bin mit sehr vielen Arbeiterinnen zusammengekommen, es hat mir aber nie eine etwas Schlechtes erzählt, ich war ganz erstaunt. Das höre ich heute zum ersten Male, und ich weiß doch, daß ich so viel Scharfblick gehabt hätte, wenn etwas vorgekommen wäre, es zu bemerken. — Exp. Nr. 22: Ich könnte Beweise vorbringen. — Exp. Nr. 21: Ein feiner Herr wird das nicht thun, und die anderen Herren sind mit den Leuten viel zu grob. — Exp. Nr. 23: Mir ist das auch nie vorgekommen.
Dr. Adler: Die Mädchen werden doch auch Bekanntschaften haben. — Exp. Nr. 21: Darüber durste im Geschäfte nicht gesprochen werden.
Dr. Adler: Haben Sie nie gehört, daß es zu einem Conflict gekommen ist, haben Sie nie gehört, daß ein Mädchen fortgehen mußte, weil der Herr das nicht geduldet hat? — Exp. Nr. 21: Solche Mädchen, die ein Verhältniß haben, kann man nicht brauchen, heißt es. Tort, wo ich sechs Jahre im Geschäfte war, ist es so.
Vorsitzende: Sind Sie häufig in die Kirche gekommen? — Expertin Nr. 21: Ich bin direct aus dem Kloster in's Geschäft gekommen, ich bin sehr religiös erzogen. Man wollte mich nur selten in die Kirche gehen lassen und hat gesagt: Du mußt vor Deiner Zeit gehen, d. h. vor 6 Uhr; nachdem ich aber bis 12, 1 oder 2 Uhr habe arbeiten müssen, so war ich in der Früh zu müde, um aufzustehen, und ich bin oft mit Schlägen geweckt worden.
Vorsitzende: Kommt das auch in anderen Geschäften vor? — Exp. Nr. 21: O ja. Am Sonntag mußten wir auch arbeiten bis 5 Uhr.
Dr. Adler: Wie lange sind Sie im Geschäfte? — Exp. Nr. 21: Sammt der Lehrzeit l4 Jahre ; ich war zuerst in einem kleinen und dann in einem großen Betriebe; in den kleinen Betrieben waren zumeist acht, ueun Arbeiteriunen, in den größeren 50; in unserem Geschäfte werden Strauß- und Phantasiefedern erzeugt. Ich mache Phantasiearbeit. Die Arbeit wird auch außer Haus gegeben. Man muß aber nicht zu Hause arbeiten; in der Saison sieht man es jedoch gerne. Die Mädchen sind bei uns alle aus besseren Häusern, früher waren es zumeist böhmische Mädchen. Mit ihnen konnten die Leute thun, was sie wollten; jetzt sind es meist Töchter von Gewerbetreibenden, auch Beamtenfrauen haben wir. Bevor es eine Genossenschaft gab, war die Zahl der Lehrmädchen sehr groß, es waren 12, 13 Lehrmädchen; jetzt haben die Leute mehr Angst, und da verstecken sie die Lehrmädchen. Die Arbeits-