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Tiefe Vorsteherin ist im Parterre. Sie selbst arbeitet nicht, sondern gibt nur die Arbeit aus und schreibt ein. Bei uns sind mehr ledige als ver­heiratete Personen und lauter hiesige.

Dr. Rauchberg: Wie werden die Leute in die Arbeit aufgenommen? Exp. Nr. 40: An einem Montag ist vor dem Thore Alles voll.

Engel: Sie waren auch in anderen Fabriken?Exp. Nr. 40: Ja.

Engel: Warum sind Sie in diesem Hause schon neun Jahre? Exp. Nr. 40: Jetzt nähme mich Niemand mehr. Ich muß überhaupt schon jede Arbeit mit Augengläsern machen. Auch bei uns werden keine Alten aufgenommen. Ich gehöre dem Fachvereine der Papierbranche an und zahle dort pro Woche 5 kr.

Engel: Dürfen Sie dem angehören? Exp. Nr. 40: Es sind schon Einige gemaßregelt worden. Bei der ersten Mai-Feier wurden drei entlassen. Ich bin bei der Arbeiter-Krankencasse versichert. Ich zahle seit vier Wochen 17 kr., früher habe ich 13 kr. gezahlt. Für die Unfallversicherung zahlen wir nicht.

Dr. Rauchberg: Sie wohnen mit Ihrem Sohne zusammen? Exp. Nr. 40: Ich bin bei meinem Vater. Wir haben Zimmer und Küche und zahlen sl. 11'20 monatlich. Ich zahle nichts zum Zins. In der Wohnung sind drei Personen. Wir haben vier Betten. Mein Sohn verdient jetzt sl. U20 pro Tag. Ich halte die Graphischen Nachrichten, das ist das Ver­bandsorgan. Vergnügungen kann ich mir sehr wenig gönnen, weil ich die ganze häusliche Arbeit machen muß. Ich muß auch für meine Angehörigen flicken und nähen.

(Pros. Dr. v. Philippovich übernimmt den Vorsitz.)

Expertin Nr. 41 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin bei einer anderen Firma. Meine Arbeit besteht im Büchelschleifen. Wir sind im Betriebe über 500 Personen. In dem Saal, wo ich arbeite, sind über 150. Früher war ich bei einer anderen Firma bei derselben Arbeit; ich bin von dort weggegangen, weil ich zu wenig verdient habe; ich bin ganz auf mich an­gewiesen. Zuerst war ich bei S., der Firma, wo ich jetzt bin, da war ich nicht ganz 14 Jahre alt. Nach etwa 11 Monaten hat mich der Werkführer weggegeben. Dann war ich 13 Monate bei der anderen Firma, und jetzt bin ich wieder zur ersten Firma zurückgegangen, weil ich da mehr Arbeit habe. Wie ich eingetreten bin, habe ich fl. 2 bekommen. Es sind dort jüngere und ältere Personen beschäftigt. Junge Mädchen von 14 Jahren sind sehr viele dort. Die Beschäftigung dauert nicht das ganze Jahr. Gegen den Herbst haben wir mehr zu thun, im Sommer müssen wir aussetzen. Wir müssen oft auf die Arbeit warten, und wenn es sehr lange dauert, schickt uns der Herr nach Hause. In die Arbeit gehen wir aber alle Tage. Während der schlechten Zeit werden auch Viele entlassen, meistens aber nur die Jüngeren. Nach Hanse bekommen wir keine Arbeit. Die Arbeit ist leicht, der Bronze­staub legt sich aber auf die Brust, denn die Etiquetten sind meist mit Bronze gefärbt, und da haben wir immer die Hände und das ganze Gewand voll Bronze. Für 100 Schleifen bekommen wir 2 und 3 kr. Wenn wir zwei Zettel auslegen müssen, bekommen wir 4 kr. Von den zu 3 kr. macht man 23 bis 25 Schachteln zu je 100; da muß man aber schon geübt sein. Die minder geschickten Arbeiterinnen kommen auf fl. 2 bis 3 in der Woche.

^Vorsitzender: Wie lange dauert es, bis eine Arbeiterin sich eine gewisse Fertigkeit aneignet? Exp. Nr. 41: Die eine lernt schnell, die andere langsam oder überhaupt nicht. Ich habe schnell gelernt und habe die Arbeit unter einer Woche gekannt. So viel als ich jetzt habe, verdiene ich seit vier, fünf Jahren. Wenn ich viel zu thun habe, verdiene ich fl. 4, 4'30 bis 4'50, m schlechten Wochen sl. 3, 3'50. Zu Weihnachten habe ich auch schon fl. 1'80 gehabt.

Vorsitzender: Kommt es nie vor, daß die ganze Arbeiterschaft weggeschickt wird? Exp. Nr. 41: Ein Theil hat immer etwas zu thun. Die Anderen werden fortgeschickt.