8. Sitzung, Sonntag, 8. Wär;, Vormittag.

Vorsitzender: Professor Marchet.

Beginn 9 Uhr 45 Minuten.

Vorsitzender: Ich ersuche den Herrn Experten Smitka, uns über die technischen Verhältnisse der Schneiderei Aufschluß zu geben. Experte Smitka: Ich möchte vor Allem bemerken, daß ich acht Jahre in der Consection beschäftigt war. Gegenwärtig bin ich nicht mehr im Gewerbe beschäftigt. Unser Gewerbe theilt sich in zwei Gruppen: die Kleider­schneiderei und die Consection. Unter Consection verstehen wir die Erzeugung der Ueberkleider, Jacken, Krägen, Mäntel, Capes, Fichns u. s. w., während man unter Damenschneiderei speciell die Erzeugung von Kleidern versteht. Die Kleiderschneiderei theilt sich in zwei Unterabtheilungen, und zwar in sogenannte Salons und in kleine Geschäfte. Zunächst möchte ich von den Salons sprechen. Diese beziehen ihre Modelle, sowie auch vielfach die Stosse aus Paris. Wenn das Modell aus Paris kommt, wird es in den Salons etwas anders arrangirt, dem Wiener Geschmack angemessen, und es werden einige Stücke davon als Musterstücke verfertigt. Diese Musterstücke dienen als Basis der Mode für diese Saison, und von diesen werden dann die bei jedem einzelnen Stücke möglichen Variationen dem Geschmacke der einzelnen Damen oder der einzelnen Arrangeurinnen entsprechend gemacht. In den Kleidersalons in Wien arbeiten circa 1500 Arbeiterinnen. Die Anzahl der­selben in einem Geschäfte beträgt zwischen 15 und 117. Jene Geschäfte, die unter 15 Arbeiterinnen haben, rechnen wir schon zu den kleinen. Die Erzeugung der Kleider theilt sich nun in zwei Hauptabtheilungen: die Erzeugung der Schößen und die Erzeugung des Leibes. Der Leib wurde bis in die letzten Jahre ausschließlich von Männern gemacht, heute aber bürgert sich immer mehr und mehr die Frauenarbeit ein. Selbst in größeren Geschäften werden schon von Frauen die Leiber erzeugt. Dort, wo sie von Männern erzeugt werden, machen die Männer nur die Form, während, wenn der Unterleib, wie wir sagen, fertig ist, derselbe auf die Puppe kommt und dann von der Arrangeurin übernommen wird. Die Arrangeurin muß immer viel Geschmack haben. Die Arbeit ist außerordentlich getheilt. Es gibt Mädchen, die nur Aermel machen, Andere machen nur den Wind- lich (das Uebernähen der Nähte auf der Innenseite), oder andere kleine Theile. Wenn dann Alles fertig ist, wird der Leib zweimal probirt, zuerst wenn er zusammengeheftet ist und zweitens wenn die Aermel darin sind. Für auswärtige Kunden hat man eine eigene Vorrichtung. Ein aus Leinwand geschnittener Leib, der auf die Kunde genau paßt, wird auf die Puppe gegeben und dann mit Watte ausgestopft. Die Schoß ist eine Arbeit, die mindere Kenntniß erfordert. In der französischen Schneiderei wird die Schoß ausschließlich von Mädchen gemacht. Auch da gibt es wieder Nnterabtheilungen. Die Schoß wird geheftet, das Beleg daraufgemacht und dann arrangirt. Die verschiedene Qualification der Arbeiterinnen bringt auch eine verschiedene Bezahlung mit sich. Die mindestbezahlte Arbeiterin ist diejenige, welche das Ueberwindlich macht, die bestbezahlte die Arrangeurin. Die meisten Arbeiterinnen haben 80 kr., sl. 1, fl. 1/20 pro Tag, die minderen von 40 kr. an. Der französischen Schneiderei steht die englische Schneiderei gegenüber, die ausschließlich von Männern gemacht wird. In einzelnen Geschäften arbeiten auch Frauen, aber sehr selten. Ich möchte nur noch Folgendes bemerken: Es sind in einzelnen Geschäften auch Arbeiterinnen angestellt, die die Ausgabe haben, gewisser­maßen die Kunden zu finden und mit ihnen das Geschäft abzuschließen.

Frauen-Enquste. 9