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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Das sind mit Monatsgehalt Angestellte, und sie haben gewisse Percente. Andere Arbeiterinnen begeben sich in die verschiedenen Hotels oder auf die Bahnhöfe oder fahren sogar in den verschiedenen Hauptstädten Europas herum. Diese reisen also der Kunde nach. Wenn nämlich die Saison vor der Thür ist und die Modelle aus Paris kommen, so trachtet jede Firma, möglichst schnell ihren Kunden ihre Modelle zu zeigen, damit diese auf Grund dieser Modelle Bestellungen machen. Dazu sind nun diese Mädchen da, die das veranlassen. Dann haben wir die sogengnntenMadamen" oderMademoiselles", die sind das, was man anderswo Geschäftsführer oder Werkführer nennt. Sie haben eine Abtheilung des Geschäftes mit einer bestimmten Anzahl von Arbeitern und Arbeiterinnen unter sich, verkehren mit den Kunden, nehmen Bestellungen entgegen, kurz sie haben die volle Verantwortung und auch die vollen Rechte des Chefs in Bezug auf die Aufnahme und Entlassung der Arbeiter. Der Chef selbst kümmert sich wenig.

Die Zahl der Arbeiterinnen, die in kleineren Geschäften beschäftigt sind, beträgt ungefähr 2500. In diesen Geschäften arbeiten drei, vier, fünf Mädchen. Die Arbeitsteilung ist hier selbstverständlich nicht dieselbe wie in großen Geschäften. Solchen Geschäften steht meistens eine Frau vor, die fast immer eine ehemalige Schneiderin ist. Meistentheils sind diese Frauen an kleine Beamte, Lehrer, Geschäftsleute u. f. w. verheiratet. Die Modelle für diese Geschäfte werden zum größten Theile vom Wiener Platze genommen, andererseits auch aus den Bildern und Zeichnungen, die in den Journalen hieherkommen. In diesen Geschäften sind ausschließlich Mädchen beschäftigt. In früherer Zeit haben die Mädchen die Leiber nicht machen können, seit­dem sie aber zwei Jahre lernen müssen, qualificiren sie sich auch dazu. Die Verhältnisse der Arbeiterinnen in den kleinen Geschäften sind gegenüber denen in den Salons nicht besser, aber auch nicht bedeutend schlechter. Sie sind nur insoferne schlechter, als sie in den kleinen Geschäften meistens eine längere Arbeitszeit haben. Während in den Salons 80z bis 9 Stunden gearbeitet wird, wird in den kleinen Geschäften 10 und 11 Stunden bei einem gleichen, unter Umständen aber bei geringerem Lohn gearbeitet, und während in den großen Geschäften auch sehr gut entlohnte Arbeiterinnen sind, gibt es solche in den kleinen Geschäften nicht, weil die schwierige Arbeit die Frau selbst macht. In den kleinen Geschäften find nur einige Arbeiterinnen beschäftigt. Eine Theilung der Arbeit ist also schon mit Rück­sicht auf die geringe Zahl der Arbeiterinnen nicht so durchführbar wie in den großen. Soweit diese aber durchführbar ist, wird die Arbeit getheilt. Auch hier macht Niemand ein ganzes Kleid und auch nicht den ganzen Leib. Ich übergehe nun zur Confection. Die Kleider, wie sie in den großen Confectionsgeschäften, z. B. in der Mariahilferstraße ausgestellt sind, werden ausschließlich von Stückmeistern, respective Stückmeisterinnen gemacht, theil- weise auch von Heimarbeiterinnen. Dort ist die Erzeugung der Ware ebenso wie in den kleinen Geschäften für Kunden aus dem Mittelstände. Nur ist die Arbeit nicht mit jener Genauigkeit gemacht, wie für die Kunde der Salons. In der Regel ist die Sache so, daß Derjenige, der für die Kunde aus dem Mittelstände oder dem besseren Arbeiterstande arbeitet, zugleich auch für ein solches Geschäft arbeitet. Denn, wenn die Kundenarbeit aufgehört hat, beginnt gerade die Zeit, wo die Geschäfte für Lager arbeiten. So haben diese Leute das ganze Jahr Arbeit.

Vorsitzender: Findet auch ein Wechsel der Arbeiterinnen statt? Exp. Snibtka: Ein regelmäßiger Wechsel nicht. Bezüglich der Saison möchte ich Folgendes bemerken: Es gibt in Wien Geschäfte, die vier bis fünf Monate im. Jahre gesperrt find. In den Salons

und den größeren Geschäften dauert die Saison sechs Monate,

während der anderen sechs Monate müssen die minder qualificirten Arbei­terinnen aussetzen, während die besser qualificirten, besonders die im