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Arbeitsbücher haben. Das sind Arbeiterinnen, die nur einige Wochen gelernt haben.

Vorsitzender: Was essen die Arbeiterinnen? Exp. U: Die meisten kaufen sich Wurst, Manche bringen sich Kaffee mit, hie und da holen sie sich aus dem Gasthans Luppe und Zuspeise. Das kostet höchstens 10 kr. bis 15 kr., Frühstück und Nachtmahl essen sie zu Hause.

Vorsitzender: Gibt es eine Kündigung? Exp. U: In den meisten Fällen nicht. Wenn man nicht selbst das Arbeitsbuch dem Meister gibt, er verlangt es nicht. Man kann jeden Tag ausbleiben, und das ist auch geschehen. Wenn Einer in der Früh die Arbeit anfängt und es paßt ihm dieselbe nicht, so kommt er nachmittag nicht mehr und sucht sich eine bessere Arbeit.

Vorsitzender: Sind Strafen eingeführt, zum Beispiel für Zn- spätkommen rc.? Exp. L: Strafen gibt es nicht. Wenn jemand um eine halbe Stunde zu spät kommt, so muß er dafür länger arbeiten.

Vorsitzender: Haben Sie eine Organisation? Exp. U: Wir haben eine Gewerkschaft, die Theilnahme der Arbeiterinnen an derselben ist jedoch eine sehr geringe. Zeitungen werden wenig gelesen. Ich könnte noch über die Verhältnisse verschiedener Werkstätten Ausschluß geben, denn ich war fast alle zwei Monate in einer anderen Werkstätte. Es ist heute unmöglich, daß man ein oder zwei Jahre auf einem Platze aushält. Es gibt auch Werkstätten, wo Dienstmädchen als Arbeiterinnen verwendet werden, die verdienen aber nicht mehr als 45 kr. pro Tag.

Vorsitzender: Ist dies der durchschnittliche Lohn? Exp. U: Es gibt auch Werkstätten, wo 70 kr. per Stück gezahlt wird. Aber mehr als einen Mantel pro Tag kann man nicht machen.

Vorsitzender: Warum wird dort besser gezahlt? Exp. L: Diese Mäntel müssen anders hergestellt werden.

Vorsitzender: Kommen die auch in der Woche auf sl. 4 bis 4'50 ? Exp. U: Ja.

Vorsitzender: Wie wird die Maschine getrieben? Exp. U: Mit dem Fuße.

Vorsitzender: Wird nieblaugemacht" ? Exp. U: Nein.

Experte Herr Sigmund Mayer (gibt über Befragen seitens des Vor­sitzenden an): Ich kann über die Frauenarbeit nur sehr wenig sagen, weil in meiner Branche, nämlich beim Exporte in das Ausland, nur bei einem einzigen Artikel, bei der Kinderware, Frauen znr Verwendung kommen, und zwar nicht bei der Stosfwaare, sondern nur bei Leinen, Baumwolle, mitunter Peluche, Sammt,' leichten Jerseystoffen, dann bei Schlasröcken, weil dabei viel Decorationswerk ist, wozu sich die Frauenhand besser eignet. Sonst gibt es in unserem Artikel keine Frauenarbeit, und dadurch unterscheidet sich die Wiener Herren-Confection sehr wesentlich von den Confectionen in Frankreich und Deutschland. In diesem Artikel existirt fast keine todte Saison. Es gibt auch hier Zwischenmeister, beziehungsweise Zwischen- meisterinnen. Was den Verdienst der Arbeiterinnen betrifft, so glaube ich, daß meine Aussage von keinem großen Werth sein wird, denn wenn ich auch solche Zwischemneisterinnen frage, was sie verdienen, dürften sie in der Regel einen größeren Verdienst angeben als die Arbeiterin thatsächlich bekommt. Ich habe vor kurzer Zeit eine solche Stückmeisterin gefragt: Was zahlen Sie für ein Stück an die Arbeiterin und wie viel kostet es

Sie?" Nach dem, was sie mir gesagt hat, würde der Wochenverdienst einer

solchen Arbeiterin fl. 7 bis 8 sein. Ich habe das für sehr unwahrscheinlich

gesunden und so hat sie gemeint:Ja das ist bei einer Arbeitszeit von

7 bis 9 Uhr." Die eine Hälfte glaube ich, nämlich daß die Arbeiterin von 7 bis 9 Uhr arbeitet, aber daß sie dabei fl. 7 oder 8 verdient, glaube ich nicht. Bemerkenswerth ist, daß in dieser Werkstätte eine ganz merkwürdige