Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
139
Einzelbild herunterladen

139

Schneiderei. In der todten Saison habe ich meistens für andere Lente gearbeitet, etwas umgeändert und dergleichen. Ich war in einem Betriebe zwei Jahre, in einem anderen ein Jahr; in den übrigen Betrieben, wo ich war, war ich immer nur einige Wochen. Es waren meist kleinere Betriebe, in denen bis zu 15 Arbeiterinnen beschäftigt waren. Es waren dies Stück­meister. Die Zahl der Arbeiterinnen war in den einzelnen Betrieben sehr unregelmäßig. Sobald das Geschält etwas stiller wurde, wurden Arbeiterinnen weggegeben. Ich war nur in zwei Betrieben, wo Männer waren. In den übrigen wurden ausschließlich Mädchen beschäftigt. Dieselben wurden auch zum Maschinnähen und Bügeln verwendet. Wir haben Mäntel gemacht, wattirte, Radmäntel, Regenmäntel, Seidenmäntel u. s. w. Die Erzeugung der Wintermäntel ist sehr anstrengend. Nichtsdestoweniger haben das nur Mädchen gemacht.

Vorsitzender: Sind auch Arbeiten außer Haus gemacht worden? Exp. Nr. 48: In einem Betriebe hat ein Stückmeister zwei Frauen außer Haus beschäftigt, die auch noch nebenbei ihre häuslichen Arbeiten verrichtet haben.

Vorsitzender: Wissen Sie ob diese so viel geleistet haben wie die Arbeiterinnen in der Werkstätte? Exp. Nr. 48: Wenn die Saison war, haben sie von dem Herrn eine bestimmte Arbeit bekommen und die mußte zu einer gewissen Zeit fertig sein. Das war so, als wenn sie in der Werk­stätte gearbeitet hätten. (Reber Befragen.) Die Arbeiterinnen recrntiren sich zumeist aus Arbeiterkreisen. Die Mädchen aus dem Mittelstände gehen nicht zur Confection, sondern zur Kleidermacherei, darum gibt es auch in der Confection nicht so viele Lehrmädchen wie in der Kleiderbranche, sondern mehr Lehrbuben.

Vorsitzender: Was wird aus den Lehrbuben? Exp. Nr. 48: Die müssen liefern gehen und Alles zusammenholen. Auch die Lehrmädchen haben sich hauptsächlich mit dem Abliefern zu beschäftigen. Zur eigentlichen Arbeit werden sie wenig verwendet. Gewöhnlich ist in einem Geschäfte nur ein Lehrmädchen, und wenn dieses schon bald frei wird und ein anderes Lehrmädchen ausgenommen wird, kommt das ältere zur Arbeit, während das jüngere zu den häuslichen Arbeiten und Gängen verwendet wird. Die Arbeitsvermittlung geschieht in der Regel durch Zeitungsannoncen. Es gibt zwar auch eine Vermittlung in der Genossenschaft, dieselbe wird aber nicht benützt.

Dr. Ofner: Gibt es bei Ihnen eine Arbeitstheilung? Expertin Nr. 48: In früherer Zeit gab es eine, jetzt ist das seltener, jetzt bekommt man das Stück zugeschnitten, und die Arbeiterin muß es fix und fertig machen.

Vorsitzender: Ist das allgemein so? Exp. Nr. 48: In den größeren Betrieben, wo mehr für Kunden gearbeitet wird und auch bessere Sachen erzeugt werden, hält man sich eine Stepperin. Das ist aber schon mehr aus der Mode gekommen, denn die Meister sagen, die Arbeiterinnen müssen Alles allein machen können, dann kommen sie billiger weg.

Dr. v. Fürth: Werden in der stillen Saison alle Arbeiterinnen entlassen? Exp. Nr. 48: In dem Betriebe, wo ich zuletzt war, waren circa 12 bis 15 Arbeiterinnen. Wenn die Zeit der todten Saison näher­kam, so wurden die weniger tüchtigen Arbeiterinnen entlassen.

Dr. Maresch: Wie lange haben Sie gelernt? Exp. Nr. 48: Zwei Jahre.

Dr. Maresch: Sind Sie aufgedungen worden? Expertin Nr. 48: Ja.

Dr. Maresch: Ist Ihnen bekannt, daß in diesen Betrieben, wo Sie waren, auch Mädchen von Nähschulen als Gehilfinnen aufgenommen wurden? Exp. Nr. 48: Das kommt vor, insbesondere wo für Engrossisten