Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
141
Einzelbild herunterladen

141

tagsruhe sehr strenge ist, wird meistens Arbeit nach Hause gegeben, damit, wenn jemand nachschauen kommt, die Werkstätte leer ist.

Frl. Fickert: Sie haben gesagt, daß die Männer für dieselbe Arbeit um 10 kr. mehr bekamen. Haben sich die Arbeiterinnen nicht dagegen auf­gelehnt? Exp. Nr. 48 : O ja. Oft war die Arbeit sogar schlechter ausgeführt als von den Arbeiterinnen, und wir haben uns oft beschwert. Aber die Frau hat gesagt, die Männer brauchen mehr zum Leben als wir.

Tr. Ofner: Was bekommen die Lehrmädchen? Exp. Nr. 48: Gar nichts während der ganzen zwei Jahre.

Vorsitzender: Kommt es nicht vor, daß sie Trinkgelder be­kommen? Exp. Nr. 48: In der Confectionsbranche nicht, weil sie da nur wenig zu Kunden kommen.

Vorsitzender: Wohnen auch Arbeiterinnen bei den Meistern?

.Exp. Nr. 48: Manchmal kommt es vor.

Vorsitzender: Bezahlen sie für die Wohnung? Exp. Nr. 48: Das sind meist so eine Art Werkführerinnen, sie bekommen auch die Kost. Die sind nicht nach Stück bezahlt, sondern nach der Woche. Sie bekommen da Suppe, Fleisch und Gemüse.

Vorsitzender: Wie ist die Ernährung bei den Arbeiterinnen?

Exp. Nr. 48: Sie ist die denkbar schlechteste. Die meisten Arbeiterinnen haben sehr weit nach Hause. Jn's Wirthshaus können sie nicht gehen, sie müssen also in der Werkstätte essen. Da kaufen sie sich vom Greisler Wurst oder Butterbrot, manche nimmt sich Kaffee mit oder kaust sich ein Stück Fleisch und Bier. In der Regel essen die Arbeiterinnen nicht viel, damit sie am Abend eine ordentliche Kost bekommen. Aber am Abend können sie auch nur Kaltes essen, Wurst u. dgl. Zum Gabelfrühstück und zur Jause essen sie ein Stück Brot, aber während der Arbeit.

Vorsitzender: Wie war es mit den Arbeitslocalen? Expertin Nr. 48: In einem Betriebe war die Werkstätte ein Zimmer mit zwei Fenstern, in welchem 15 Leute gearbeitet haben. Es war ebenerdig, rück­wärts im Hofe, aber doch licht. In einem Betriebe ist im Sommer ent­sprechend gelüftet worden, in einem anderen aber sind im Winter die Fenster vernagelt worden, damit ja keine Lust hineinkommt. Auch in der Mittagspause wurde nicht gelüftet. In der Früh wird eingeheizt, und damit es nicht auskühlt, wird nicht gelüftet.

Vorsitzender: Entwickelt sich da viel Staub? Exp. Nr. 48: Bei den Sachen, die wattirt werden, sogar sehr viel.

Vorsitzender: Sie waren auch in einem Betriebe, wo ein Meister war. Wie war das Verhältniß zu den Arbeiterinnen? Exp. Nr. 48: Da kann ich mich nicht beklagen. Ich habe zwei Jahre dort gelernt und war dann noch zwei Jahre dort; die Behandlung war eine sehr gute. Im Allgemeinen ist das aber nicht so. Man hört viel Klagen, daß die Meister sehr roh sind.

Vorsitzender: Wie steht es mit der Reinigung? Expertin Nr. 48: Abends wird täglich ausgekehrt. Das müssen die Lehrmädchen be­sorgen. Ausgerieben wird aber meist nur alle heiligen Zeiten.

Dr. Ofner: Wohnen auch manchmal Personen im Arbeitslocale? Exp. Nr. 48: In einem Betriebe, wo ich war, hat ein Arbeiter ge­schlafen.

Vorsitzender: Welche Vergnügungen machen die Arbeiterinnen mit? Exp. Nr. 48: Ich glaube, die Arbeiterinnen haben überhaupt keine Vergnügungen. In der stillen Zeit gehen sie halt in's Freie.

Tr. Fürth: Hat Ihre Mutter ein besonderes Einkommen? Exp. Nr. 48: Sie verdient sl. 4 wöchentlich. Wir haben ein Cabinet und eine kleine Küche in Meidling und zahlen st. 7 monatlich. Ich habe auch