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machen. Die Mädchen mußten oft bis spät in die Nacht arbeiten und waren dann bei Tag nicht fähig, ordentlich zu arbeiten.

Dr. Hainisch: Ich glaube, wir haben Sie mißverstanden; Sie sagten, die Männerarbeit werde durch Frauenarbeit verdrängt, und jetzt haben Sie erzählt, daß in dem früheren Betriebe zum Schlüsse lauter Männer da waren. Exp. Nr. 50: Nein. es waren zum Schlüsse doch drei Frauen, ich, ein Ehepaar und noch ein Mädchen, und früher war nur Eine, die Zahl hat von Einer aus Drei zugenommen.

Bardors: Ist das allgemein in Ihrem Gewerbe, daß die Lehr­mädchen nichts gezahlt bekommen? Exp. Nr. 50: Es gibt nur sehr wenige Geschäfte, wo sie Zahlung bekommen: in der Mehrzahl sind die Verhältnisse wie bei uns. Es gibt auch Geschäfte, wo die Lehrmädchen zahlen müssen.

Vorsitzender: Werden diese auch herumgeschickt? Expertin Nr. 50: Nein, das Lehrgeld beträgt monatlich sl. 4, 5 oder 6, je nachdem das Institut ist, wo sie lernen. Die Zahlung der Lehrmädchen, wenn es eine solche gibt, ist sehr gering, fl. 1 oder 2 pro Woche; es sind gewöhnlich Mädchen besser situirter Kreise, die die Mädchen, welche darauf angewiesen sind, verdrängen. Sie arbeiten um einige Kreuzer, um nur ein Taschengeld zu verdienen, das sie für die Toilette verwenden.

Vorsitzender: Dies ist von besonderem Interesse, ich bitte uns etwas von Ihren eigenen Wahrnehmungen darüber zu sagen. Expertin Nr. 50: Diese Mädchen arbeiten für wenige Kreuzer, und wenn andere Mädchen, die vorn Verdienste leben müssen, in so ein Geschäft kommen, werden sie nicht aufgenommen, und der Chef weist darauf hin, daß er andere Mädchen bekommt, die billiger arbeiten. Diese Mädchen arbeiten zumeist für Confectionsgeschäfte.

Vorsitzender: Vielleicht kann uns Herr Smitka hierüber etwas Näheres sagen. Exp. Smitka: Diese Mädchen, die nur für ein Taschengeld arbeiten, sind hauptsächlich in den Salons zu finden. Bei Tetaillisten werden diese Mädchen im großen Ganzen weniger verwendet. Sie gehen in Salons, weil es gewissermaßen als eine Ehre angesehen wird, dort zu arbeiten. Exp. Nr. 50: Verheiratete Frauen sind da­runter nicht.

Baronin Vogelfang: Wie lange muß ein Mädchen lernen, und was muß sie dafür zahlen? Exp. Nr. 50: Die gesetzliche Zeit ist zwei Jahre. Das Schnittzeichnen dauert nur je nach der Auffassung drei bis sechs Monate. Dafür muß sie zahlen, und der Betrag richtet sich je nach dem Institute.

Exp. Smitka: In Wien sind einige Institute, wo die Mädchen das Zuschneiden lernen ; das renommirteste ist das von Schall. Vor 14 Tagen ist zu mir eine Arbeiterin gekommen und hat mir erzählt, daß sie dort für das Zuschneidenlernen sl. 100 hat zahlen müssen; sie hat fünf Monate ge­lernt, und wenn sie austritt, muß sie sich doch erst die Praxis aneignen.

Vorsitzender: Wie lange dauert die Lehrzeit der zahlenden Lehrmädchen? Exp. Nr. 50: Je nachdem, ein oder zwei Jahre, sie ist gewöhnlich kürzer als bei den nichtzahlenden.

Dr. Schüller: Aus welchen Kreisen sind die Lehrmädchen? Exp. Nr. 50: Dort, wo ich jetzt bin, sind zwei Töchter von einem Faß­bindermeister und eine von einem Tischlermeister, deren Eltern sich in besseren Verhältnissen befinden. Früher war ein Mädchen die Tochter einer armen Wäscherin; der ist es nicht besonders gut gegangen, aber den jetzigen geht es gut.

Dr. Schiff: Genießt die Familie des Unternehmers dieselbe Kost wie das dort wohnende Lehrmädchen? Exp. Nr. 50: Ja. Sie sitzt an demselben Tisch. Das Arbeitslocal befindet sich im zweiten Stock. Es°dieut