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zugleich als Wohnung des Unternehmers und als Werkstätte. Es besteht aus der Werkstätte, einem Schlafzimmer und Vorzimmer. Die Familie des Herrn ißt in der Werkstätte, das Mädchen im Vorzimmer. Wenn ich komme, muß ich die Fenster öffnen, denn der Dunst ist nicht zum Aushalten. Die Kinder halten sich zumeist in der Werkstätte auf. In der Saison sind darin sammt den Angehörigen der Familie 14 Personen. Jetzt, wo keine Saison ist, sind nur 3 Arbeiterinnen darin. Das Local hat zwei Fenster. Die Reinigung desselben läßt zu wünschen übrig. Die Wände werden nicht ge­reinigt. Jeden Moment muß man fürchten, daß man Ungeziefer auf den Schoß bekommt. Der Fußboden wird alle 6 bis 7 Wochen gewaschen. Jeden Tag wird ausgekehrt und feucht aufgewischt. Das besorgen die Lehr­mädchen, und sie brauchen dazu, wenn sie sich beeilen, eine halbe Stunde. Sie bleiben um diese halbe Stunde länger im Geschäft. Auch in der Früh müssen Sie eine Viertelstunde früher kommen, um die Maschine zu putzen. In der Saison kommt es auch manchmal vor, daß sie am Abend nach der Arbeit bis ',210 Uhr austragen müssen. Der Abort ist sehr sanitätswidrig. Ich habe aus eigener Tasche Desinsectionspulver für den Abort gekauft. Es ist dies nämlich kein offener Abort, sondern nur so eine Schale. Ge­bügelt wird im Vorzimmer, und zwar unmittelbar neben dem Abort. Die Thür steht offen, und da geht die Hitze von der Küche, wo der Stahl erhitzt wird, in's Vorzimmer und auch in's Zimmer hinein. Alle Arbeiterinnen müssen bügeln. Die Behandlung seitens des Unternehmers ist sehr gut. Besonders ist er mit den flinken Arbeiterinnen äußerst höflich. Die Mehr­zahl der Arbeiterinnen ist ledig, nur zwei sind verheiratet. Außer mir sind nur ein Lehrmädchen und eine Arbeiterin bei der Organisation. Ich wollte schon mehrere in dieselbe hineinbringen, aber der Herr ist dagegen. Er weiß, daß am Montag Vereinsabend ist, und da läßt er das Mädchen, das dort wohnt, nicht fortgehen, sondern gibt ihr immer etwas zu thun. Ich bin daraufgekommen und habe gesagt, sie soll doch hingehen, aber sie hat sich nicht getraut. Der Herr weiß, daß ich bei der Organisation bin; ich spreche darüber ganz offen, so daß er es hört. Er kann es mir ja nicht untersagen, weil er aus bessere Arbeiterinnen angewiesen ist. Ich bin für den Krankheitsfall versichert, ebenso auch die anderen Arbeiterinnen. In dieser Beziehung ist der Herr sehr pünktlich.

Dr. Schwiedland: Wie steht es mit der Lectüre von Zeitungen bei den Arbeiterinnen? Exp. Nr. 50: Die Mädchen interessiren sich nicht recht für das Zeitunglesen. Auch haben sie nicht Zeit und Gelegen­heit dazu. Ich bin auf dieArbeiter-Zeitung" abonnirt und bringe sie manchmal mit, aber die Mädchen haben wenig Zeit und Gelegenheit, sie zu lesen.

Expertin Nr. 51 (über Befragen seitens des Vorsitzenden): Ich bin in einem Confectionsbetriebe beschäftigt. Es sind dort männliche und weibliche Arbeiter. Wenn das Geschäft schlecht geht, sind 3 bis 5 Arbeite­rinnen und 1 Arbeiter. Wir haben dann auch eine Saison, und zwar von Anfang März bis Mai. Die schlechte Zeit ist von Mai bis August, dann ist wieder eine bessere Zeit bis Weihnachten. Ich bin acht Jahre in diesem Geschäfte, früher war ich in einem gleichen Betriebe. In der schlechten Zeit sind wir blos 3 bis 5 Personen beschäftigt, in der guten Zeit 14 bis 15, darunter 4 bis 5 Männer. Lehrmädchen haben wir keine. Wir fabriciren Mäntel, Jacken, Jaquets u. s. w., haben aber keine Männer-Confection. Wenn sich eine Arbeiterin mehr verdienen will, so nimmt sie sich anch Arbeit nach Hause, aber es hängt dies von ihrem freien Willen ab. Auch in der strengen Zeit wird man nicht zur Hausarbeit gezwungen. Die Arbeiterinnen recrutiren sich meist aus Arbeiterkreisen. Arbeitsvermittlung haben wir keine. Wer eine Stelle braucht, sucht sie sich aus der Zeitung. Früher waren dort auch Lehrmädchen, jetzt werden aber keine mehr gehalten,