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Dr. Rauchberg: Werden Sie für die Arbeit zu Hause besser ent­lohnt? Exp. Nr. 54: Ja, nach der Stunde.

Dr. Rauchberg: Wo sind die Leute während der stillen Zeit, die entlassen worden sind? Exp. Nr. 54: Solche, die keine Eltern haben, sind z. B. gezwungen, sich mit Confectionsarbeiten zu beschäftigen, mit wattirten Mänteln, Jacken oder Regenmänteln. Im Sommer sind manche in den Curorten beschäftigt.

Dr. Rauchberg: Und in der todten Zeit im Winter? Expertin Nr. 54: Da sind manche bei Stückarbeit in kleinen Betrieben, man geht zu solchen, welche Partiewaare von den Confectionsgeschäften übernommen haben.

Dr. Rauch b er g: Ist die Beschäftigung bei der Confection eine ständigere als in den Salons? Exp. Nr. 45: Auch nicht. Wenn der Sommer kommt, ist auch dort nichts zu thun, und deshalb fahren die Ar­beiterinnen in die Curorte. Im Winter kommt es auch vor, daß die Ent­lassenen Fabriken aussuchen, ganz andere Gewerbe, z.B. die Cartonage-Erzeugung. Exp. Nr. 53: Ich möchte das richtigstellen. Die Saison bei der'Con­fection beginnt dann, wenn die Saison in den Salons zu Ende geht, und dann gehen die Arbeiterinnen, die nicht von zu Hause eine Unterstützung haben, in die Confectionsgeschäfte.

Dr. Osner: Waren Sie ununterbrochen beschäftigt und war keine Pause zwischen Ihrer früheren und jetzigen Beschäftigung? Exp. Nr. 54: Bevor ich in das jetzige Geschäft eingetreten bin, habe ich von Oktober bis Weihnachten gearbeitet und dann von Jänner bis Februar ausgesetzt, dann wieder bis März gearbeitet, und im Mai bin ich eingetreten und habe bis August dort gearbeitet, von August bis October habe ich aussetzen müssen, und von October bis jetzt bin ich wieder im Geschäft. Unter Aussetzen ver­steht man das: man sagt, es ist jetzt nichts zu thun, Sie können sich später wieder anfragen. Eine formelle Kündigung ist das nicht. In dem früheren Betrieb war ich l'/s Jahre; da habe ich acht Monate gearbeitet, zwei Monate ausgesetzt, dann wieder gearbeitet und dann wieder ausgesetzt. In der Zeit, wo ich nicht beschäftigt war, hat mich meine Mutter unterstützt.

Dr. Biezina: Nimmt die Nachfrage um Arbeit viel Zeit in An­spruch? Exp. Nr. 54: Ich habe immer selbst in den Geschäften angefragt.

Vorsitzender: Das fällt Ihnen vielleicht nicht so schwer, weil Sie bei Ihrer Mutter sind; wie steht's mit den Anderen? Exp. Nr. 54: Ich habe eine Collegin, der das schwer ist; die ist, weil sie nicht abwarten kann, bis man sie wieder von der Arbeit verständigt, als Stubenmädchen in Dienst getreten. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Mein Verdienst be­steht im Wochenlohn; ich habe bei zehnstündiger Arbeitszeit fl. 1'30. Diesen Lohn haben nur Diejenigen, welche selbstständig arbeiten können. Tritt man nach der Lehrzeit ein, so bekommt man 50, 60 bis 70 kr.; bei 80 kr. muß die Arbeiterin auch schon eine Idee von selbstständiger Arbeit haben. In unserem Geschäfte haben vier 60 kr.; zwei haben 70 kr., drei 40 kr.; eine sagt, das ist nur ihr Nadelgeld; sie hätte es nicht nöthig gehabt, in die Arbeit zu gehen und braucht das Geld nur für den Putz.

Vorsitzender: Kommt es bei Ihnen häufig vor, daß Mädchen aus sogenannten besseren Häusern nur wegen des Nebenverdienstes billig arbeiten? Exp. Nr. 54: Ja. Sie machen dieselbe Arbeit wie wir, und weil das vor­kommt, so sagt die Frau: Schauen Sie, die arbeitet um 40 kr., warum soll ich Ihnen 70 kr. zahlen? Das ist eine Schädigung, außerdem müssen wir zwei Jahre lernen, die Anderen lernen nur drei bis sechs Monate und zahlen pro Monat sl. 5 oder fl. 6 in einem Institut. Wir müssen in einem Geschäft lernen und nebstbei Gänge verrichten. Mit 40 kr. Lohn gibt es bei uns drei; eine hat fl. U60, das ist schon eine von den ersten; die ist schon zehn Jahre im Geschäft. Das ist eine Schoßnäherin, wie ich.