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der Herr oder die Frau sich nicht kümmert, wenn auch die Näherin darüber klagt. Da heißt es:Kaufen Sie sich eine neue." Die Arbeiterinnen bei der Maschine sind meist ausgekernte Schneiderinnen. Ob eine zur Maschine kommt, hängt davon ab, ob sie sich selbst dazu anbietet, oder ob sie darum angesprochen wird. Die Maschinnäherin wird gewöhnlich besser, mit fl. 1'50 bis 1'80 bezahlt, manche bekommen auch viel weniger. In meinem Geschäfte dürfte die Maschinnäherin fl. 1'40 oder U50 haben. Sie ist eine ältere Person und hat ein Kind zu versorgen, und die Frau sieht mehr auf sie. Auch in der Zeit, wo nichts zu thun war, hat die Frau sie beschäftigt mit Wäscheflicken, damit sie auskommt.

Vorsitzender: Frau Exp. Nr. 54, wie war es in dem größeren Geschäfte mit der Maschinnäherin? Exp. Nr. 54 : Dort hat die Maschin- nüherin fl. 1'50, die muß aber die Confection aufsteppen.

Vorsitzender: Sie haben von einer Aufputzerin gesprochen, Herr- Experte; wie verhält sich die zur Arrangeurin? Exp. Klusäöek: Das ist dieselbe. (Ueber Befragen seitens des Herrn Herrdegen.) Es gibt sehr viele Arbeiterinnen, die nicht mit der Maschine nähen können. Jetzt werden meist die neuesten Singermaschinen, die Ringschiffmaschinen ver­wendet. Es kommt vor, daß die Maschine an sich schwer geht, und daß alles Schmieren und Behandeln nichts nützt. Dann muß sie reparirt oder umgetauscht werden. In unserer Branche wird meist mit der Maschine genäht. In den englischen Geschäften wird die Taille ganz in der Hand gearbeitet. Bei uns wird mit der Hand genäht, was mit der Hand genäht werden muß. Es wird an einem Kleid mehr mit der Hand genäht als am selben Kleid mit der Maschine. Von unseren 18 Arbeiterinnen näht eine mit der Maschine. Lehrjungen gibt es jetzt in der Frauenschneiderei sehr wenig, denn die meisten Lehrjungen gehen von der Männerschneiderei zur Confection und von dieser, wenn sie tüchtig sind, zur englischen Schneiderei, sonst müssen sie bei der Confection bleiben. Da haben sie gewöhnlich eine Lehrzeit von vier Jahren. Wenn die Mädchen, welche jetzt nur zwei Jahre lernen, auch vier Jahre bei der Arbeit herangezogen werden, so können sie nach meiner Ansicht dasselbe leisten wie die Lehrjungen, wenn sie angehalten werden, natürlich kommt es auch auf das Mädchen an; viele nehmen es leicht. (Ueber Befragen seitens des Herrn Dr. Ofner.) Auf. die Körper­kraft kommt es bei der Frauenschneiderei nicht an. Aber bei der Confection oder Männerschneiderei ist es für die Frau viel schwerer, weil sie sich mehr anstrengen muß.

Vorsitzender: Mir ist einmal gesagt worden, daß die Näharbeit, so einfach sie aussieht, wenn sie lange betrieben wird, mehr anstrengend ist als die Arbeit mit dem Schmiedhammer. Die Körperkraft muß also doch einen Einfluß haben? Exp. KlusLSek: Die Schneiderei an sich ist ja eine der mühsamsten und anstrengendsten Arbeiten; das Gebücktsitzen schadet den: Körper viel mehr als wenn man sitzt oder geht. (Ueber Befragen seitens des Herrn Herrdegen.) Die Anstrengung ist allerdings verschieden, je nach dem Stoffe, der genäht wird. Es ist ein Unterschied zwischen den dicken, ordinären Stoffen, welche in der Confection verwendet werden, und den anderen; da braucht man mehr Kraft. Chiffon ist schwerer zu bearbeiten als ein Wollstoff. Auch bei Seidenstoffen ist ein Unterschied. Manche sind spröde und so schwer zu nähen, daß Einem manchmal die Finger wehe thun und man den Krampf in den Händen bekommt.

Vorsitzender: Was machen die Arbeiterinnen in der stillen Zeit, wie bringen sie sich fort? Exp. Klnsüöek: Wenn sie auf sich selbst angewiesen sind, sind sie gezwungen, in die Fabriken zu gehen, oder sie gehen anderen Berufen nach. In meinem Geschäfte ist eine Arbeiterin, die ein Kind zu ernähren hat, und die setzt jetzt acht Wochen aus. Sie ist jetzt als Magazineurin in einer Fabrik beschäftigt.

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