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dieselben Kleider getragen wie auf der Straße. Als ich in der Fabrik war, war ich beim Fachverein, der Unternehmer hat aber nichts davon gewußt.

Vorsitzender: Wie war das Verhältniß zwischen den Arbeiterinnen und dem Werkführer? Exp. Nr. 57: Der Werkführer war ein sehr ordent­licher Mensch.

Dr. Ofner: Waren dort Lehrmädchen, welche im Hause wohnten? Exp. Nr. 57: Nein.

Dr. Rauchberg: Wie wohnen Sie? Exp. Nr. 57: Wir haben ein Cabinet, nicht direct vom Hausherrn, und bezahlen fl. 5'20 monatlich. Die Wohnung besteht aus Zimmer, Küche und Cabinet. Die Wohnungs­inhaberin hat eine Stickerei. Andere Aftermiether sind in der Wohnung nicht. Wir haben unsere eigenen Möbel. Kinder haben wir nicht

Experte H- Vo gels iWerkführer in einem großen Betriebe): Die Be­triebe in Wien theilen sich in die Möbelbranche, Galanteriewaaren- und Goldbranche. Am meisten wird in Wien Möbelposamentrie erzeugt. Dazu gehören Schnüre, Quasten, Fransen, Embrassen und Alles, was zur Deco- ration der Zimmer und der Möbel dient. Die Arbeiterschaft der Möbel­branche besteht aus Schnurdrehern und Hilfsarbeiterinnen. Die ersteren machen die Weberei und richten die Arbeit zu. Die Arbeit wäre nicht so ungesund, wenn die Arbeiter nicht so getrieben würden, damit sie möglichst viel leisten. Das kommt aber wieder von der großen Concnrrenz. Die Arbeiterinnen machen die Hand- und Näharbeiten. Die Quasten machen sie jedoch nicht vollständig fertig, sie stellen sie zusammen und machen die Köpfe derselben. Die Fransen bekommen sie zugerichtet und schlagen sie dann auf ein Brett ein. In der Schnurdreherei werden in Wien keine Mädchen be­schäftigt, während dies in Deutschland der Fall ist. Auch beim Bortenbinden und Fransenmachen, in der Weberei, sind keine Arbeiterinnen, früher waren welche dabei beschäftigt. Ich glaube, es gibt noch einzelne Geschäfte, die ausnahmsweise dabei auch Frauen beschäftigen. Die Arbeit der Frauen er­fordert mehr Geschicklichkeit als Kraft. Die Arbeit wird hauptsächlich mit der Nadel vollführt. Wenn z. B. eine Quaste gemacht wird, so werden zehn bis zwölf Rollen feine Seide genommen. Diese kommen auf einen Ständer, der aus mehreren Drähten besteht; auf jeden Draht kommen drei bis vier Rollen und dann schweift die Arbeiterin mit zehn bis zwölf Fäden und zieht die Fäden lang. Diese werden dann auf eine Rolle gewickelt, und von dieser Rolle werden die Köpfe der Quasten überwickelt mittelst Zwirn und Nadeln. Dann wird der Kopf mit Zierschnürchen überlegt und einge- spult, so daß die ursprüngliche Form des Holzkopfes herauskommt. Dann wird die Quaste zusammengenäht, sodann schlägt die Arbeiterin sie auf ein Brett, dreht sie ab, und das Ganze wird zusammengestellt. Die Arbeiterin besorgt auch die eigentliche Fertigstellung der Fransen, doch macht sie auch hier nicht den ganzen Proceß. Diese Arbeit erfordert besondere Geschicklichkeit. In Wien beträgt die Lehrzeit drei Jahre; ich möchte sagen, so lange wie nirgends auf der Welt in diesem Geschäfte. Während dieser Zeit bekommen die Mädchen sl. 1'50 pro Woche, und das steigt bis zu fl. 2'80 und auch fl. 3.

Vorsitzender: Welche Lehrzeit würde genügen? Exp. Vogels: Wie in Deutschland, höchstens drei Monate. Das Mädchen lernt einen Artikel in vier Wochen, dann wird sie bei diesem Artikel beschäftigt, und so zeigt man ihr einen Artikel nach dem anderen, und wenn ihre Lehrzeit zu Ende ist, bekommt sie denselben Lohn wie jede andere Arbeiterin. Der Fabrikant beschäftigt sie dann in seinem Interesse mit der Arbeit, die sie am besten kann, und nach und nach erwirbt sie sich die Fertigkeit auch bei den anderen Artikeln. Ich glaube, daß eine solche Arbeiterin 'mehr versteht als hier eine, die drei Jahre lernt. Bei uns sind etwas über die Hälfte Lehrmädchen, die kleinere Hälfte Arbeiterinnen.

Dr. Verkauf: Kommt es nicht auch vor, daß Lehrgeld gezahlt wird?