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gemeinen nur während der Saison nach Hause genommen, und zwar geschieht das etwa drei- bis viermal in der Woche. Da haben wir dann bis 11, 12 Uhr damit zu thun. Wenn Arbeit zum Adjustiren mitgenommen wird, so bekommen wir 2 kr. per Stück, da nehme ich gewöhnlich ein Dutzend mit. Für das Sticken sind die Preise verschieden. 5, 10, 20 kr. Von den Miedern zu 20 kr. nimmt man sich nur eines, von den zu 5 kr. vier Stück mit. Die Unternehmer nöthigen aber die Arbeiterinnen nicht, Arbeit nach Hause zu nehmen. An Sonn- und Feiertagen wird keine Arbeit mitgenommen.
Bardorf: Sie sind bei Ihren Eltern. Wie ernähren sich die anderen Mädchen? — Exp. Nr. 67: Die sind auch bei ihren Eltern.
Dr. Verkauf: Wie ist die Behandlung durch die Vorgesetzten? — Exp. Nr. 67: Nicht besonders gut.
Dr. Verkauf: Wie steht's mit der Sittlichkeit? Ist da zu klagen?
— Exp. Nr. 67: Nein.
Dr. Verkauf: Ich habe aber gerade in dieser Richtung von Ihrem Geschäfte etwas gehört. Vielleicht ist das jetzt anders. — Exp. Nr. 67^ Seitdem ich im Geschäfte bin, ist nichts derartiges vorgefallen.
Dr. Ofner: Wird in der todten Saison den Mädchen weniger Arbeit gegeben, bevor ganz ausgesetzt wird ? — Exp. Nr. 67: Ja, es gibt Tage, wo sie um die Hälfte weniger verdienen.
Herrdegen: Können Sie uns sagen, auf welche Weise Ihr Geschäft die Waaren absetzt? — Exp. Nr. «17: Es hat Reisende.
Herrdegen: Arbeiten Sie auf Bestellung von einzelnen Kunden?
— Exp. Nr. 67: Ja, wir machen sehr viel Maßmieder, denn der Chef hat ein Detailgeschäft mit einem Verkaufslocal. (Ueber Befragen seitens des Vorsitzenden.) Das Arbeitslocal ist ziemlich groß. Wir brauchen nicht das vollkommene Stillschweigen zu halten, wie die frühere Expertin erzählte. Wenn der Chef da ist, so müssen wir freilich ruhig fein, aber wenn er fortgegangen ist, plauscht,man gern ein bischen. Das Arbeitslocal ist im Parterre, geht in den Lichthof,' und wenn es im Winter dunkel ist, so muß den ganzen Tag Gas brennen. Ventilation ist keine. Es wird untertags selten gelüftet. Auch im Sommer nicht, denn es fliegt Ruß herein, der die weißen Mieder schmutzig macht. Wenn gebüstet wird, ist es auch fürchterlich heiß. Jedes Vierteljahr wird gewaschen, und zwar von einer Bedienerin. Der Abort ist im Hof, da müssen wir über den Gang hingehen. Es sind zwei gewöhnliche, gut erhaltene Aborte, jedoch ohne Spülvorrichtung.
Dr. Biezina: Ist der Abort nicht im Winter sehr kalt? — Expertin Nr. 67: O ja, es zieht auch dort; es kommt häufig vor, daß man sich verkühlt.
Wittelshöfer: Wie viel Arbeitslocale haben Sie ? — Exp. Nr. 67: Zwei Zimmer, in einem sind wir, in dem anderen die Appreteurinnen.
Wittelshöfer: Wieviel Fenster hat der Raum, in dem Sie arbeiten? — Exp. Nr. 67: Fünf.
Wittelshöfer: Wie lange dauert das Büsten? — Exp. Nr. 67: Verschieden, manchmal den halben, manchmal den ganzen Tag.
Herrdegen: Was machen die Appreteurinnen, wenn nicht gebüstet wird? — Exp. Nr. 67: Einziehen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Im Arbeitslocal schläft Niemand. Zum Mittagessen gehen alle Arbeiterinnen nach Hause, keine ist bemüssigt, in's Gast- oder Kaffeehaus zu gehen. Ich selbst bin Werkführerin, die Vorgesetzte der anderen Arbeiterinnen, männliche Vorgesetzte sind keine, der Zuschneider hat nichts zu befehlen. Aber die Herrenleute sind sehr launenhaft, da muß man sehr viel ausstehen.
Dr. Verkauf: Schimpft der Herr manchmal ? — Exp. Nr. 67: Nein. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.» Ich gehöre keinem Vereine an. In die Krankencasse sind wir erst vor Kurzem eingetragen worden, etwa vor vier bis fünf Wochen. Es hat nämlich eine Frau verlangt, eingeschrieben zu