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wie in der Provinz. Denn dort können fertige Hemden um fl. 3 bis 4 per Dutzend verkauft werden, ein Preis, den wir in Wien nicht machen können. Böhmen und Mähren, insbesondere Proßnitz und Klattau machen uns sehr viel Concurrenz, sie haben uns den Platz diesbezüglich schon mit Erfolg streitig gemacht.
Herrdegen: Gibt es eine todte Saison? — Exp. Keßler: Bei uns gibt es keine todte Saison; nur ein einziges Mal im Jahre müssen die Leute aussetzen; wir fangen nämlich zu Weihnachten zu inventiren an, und das dauert etwa 14 Tage, bis Anfang Jänner. Im Sommer geht das Geschäft wohl auch etwas schwächer, aber es wird doch jeder Einzelne immer beschäftigt.
Herrdegen: Haben Sie Ueberfluß oder Mangel an Arbeitskräften ? — Exp. Keßler: An guten Arbeitskräften ist Mangel.
Mittels höfer: Sie bezahlen dem Zwischenmeister 90 kr. per Dutzend für das fertige Hemd; davon zahlt dieser, wie eine Expertin sagte, 46 kr. für das Nähen. Was hat er noch an Löhnen und an Materiale zu bezahlen? — Exp. Keßler: Für das Knopflöchern per Dutzend 18 kr. und eine Kleinigkeit, welche ich nicht beziffern kann, für das Materiale, Zwirn rc.
Mittel shöfer: Er hat also etwas über 66 kr. zu zahlen und bekommt 90 kr.
Dr. Riedl: Es ist mir bekannt, daß Gemischtwaarenhändler in Niederösterreich auf dem Lande die Arbeiterwäsche direct von Böhmen beziehen; kommt das auch in Wien vor? — Exp. Keßler: O ja, in den Vorstädten.
Exp. Nr. 68: Ich hätte von einem Geschäft Hosen übernehmen sollen, und zwar um 2 kr. per Stück. Als ich mich weigerte, das um diesen Preis zu thun, sagte man, es läßt sich die Sache in Böhmen noch billiger machen. Um zwei Kreuzer kann man doch nicht eine Hose machen, und bessere Waare geben Einem die Herren nicht nach Hause, weil sie sich fürchten, daß die Arbeiterinnen dieselbe versetzen.
Bardorf: Warum sind gute Arbeitskräfte schwer zu bekommen? — Exp. Keßler: Weil sich die Leute überhaupt nicht auf bessere Waare einrichten, denn sie verdienen bei der schlechteren Waare, die sehr schleuder- hast gearbeitet werden kann, mehr.
Bardorf: Dürfte das nicht an der mangelhaften Ausbildung der Lehrmädchen liegen? — Exp. Keßler: Das wohl auch.
Frl. Krasa: Ist Ihnen bekannt, daß die Zwischenmeister und Zwischenmeisterinnen an die Manipulanten Geschenke abliefern müssen, damit sie gute Arbeit bekommen? — Exp. Keßler: Ich bin seit neun Jahren in unserem Betriebe, bei uns kommt das nicht vor. Ich will nicht behaupten, daß vielleicht ein Geschenk, wenn es angeboten wird, zurückgewiesen wird; aber es besteht diesbezüglich durchaus kein Zwang, und es hat auch der betreffende Manipulant keinen Einfluß aus die Vergebung der Arbeit.
Frl. Krasa: Ist Ihnen bekannt, daß viele Zwischenmeisterinnen nicht nur in einem Arbeitsverhältniß zu den Herren stehen, sondern in einem viel innigeren Verhältniß, wie dies gerade bei den Schürzen- und Weißnäherinnen sehr oft der Fall ist? — Exp. Keßler: Bei uns nicht, weil bei uns der Herr auf so etwas nicht geht.
Schluß der Sitzung 11 Uhr 15 Minuten.