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Vorsitzender: Haben Sie sonst keine Unterstützung? Expertin Nr. 7l: Von: Vincenzverein bekomme ich Brot.

Baronin Vogelfang: Wie viel Milch kaufen Sie zum Kaffee täglich ?

Exp. Nr. 71: 11m 10 kr.

Bar. Vogelfang: Das sind etwa "(4 Liter. Exp. Nr. 71: Ja.

Vorsitzender: Ihre beiden Kinder, die in die Schule gehen, brauchen doch auch Bücher und sonstige Lehrmittel. Bekommen sie die ge­schenkt ? Exp. Nr. 71: Der Bnb bekommt es geschenkt, aber für das Mädchen muß ich es kaufen.

Dr. Riedl: Wie oft gehen Sie in der Woche liefern ? Expertin Nr. 71: Ich gehe alle Tage, manchmal auch zweimal täglich. Da schicke ich den Buben, wenn er aus der Schule kommt. Auch der Lohn wird manch­mal täglich ausgezahlt, manchmal auch wöchentlich, je nachdem der Herr das Geld hat. Oft muß ich zwei- bis dreimal um's Geld laufen.

Dr. Riedl: Was war Ihr Mann? Exp. Nr. 71: Zuletzt war er Taglöhner, da habe ich natürlich auch schon nähen müssen. Damals habe ich Cravattentheile genäht.

Dr. Riedl: Wie beschaffen Sie sich und den Kindern die Kleidung?

Exp. Nr. 71: Wenn ich Stoff geschenkt bekomme, so nähe ich es selbst, und Heuer ist der Bub vom katholischen Waisen-Hilfsverein zu Weihnachten beschenkt worden.

Dr. Riedl: Haben Sie sonst noch Kinder gehabt und wann sind die gestorben? Exp. Nr. 71: Ich hatte noch zwei Kinder; eines ist mit 3'.r Monaten, das andere mit 1 '/« Jahren gestorben.

Herrdegen: Was zahlen Sie für die Wohnung? Expertin Nr. 71: fl. 7.

Herrdegen: Sie zahlen also von den fl. 3'60 wöchentlich fl. 1 ' 6 tt für die Wohnung; es bleiben Ihnen also fl. 2 zum Lebensunterhalte. Haben Sie nicht doch irgend welches Nebeneinkommen? Exp. Nr. 71: Ich habe um eine Unterstützung angesucht, dieselbe aber nicht erhalten, weil ich nicht nach Wien zuständig bin. Vom Vincenzvereine bekomme ich wöchentlich zwei Brote, ein Kilo Mehl und ein Kilo Erdäpfel. Manchmal, vielleicht einmal im Jahre, gibt mir der Vincenzverein fl. 2 bis 3 für den Zins.

Exp. Krasa: Wie viel Näherinnen beschäftigt Ihr Arbeitgeber im Hause? Exp. Nr. 71: Zwei bis drei.

Exp. Krasa: Dann könnte er doch viel Arbeit außer Haus geben?

Exp. Nr. 71: Er hat eben viele Arbeiterinnen außer Haus, und da gibt er jeder einzelnen nur wenig Arbeit.

Expertin Nr. 72 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin jetzt Schürzennäherin. Als Lehrmädchen war ich in der Provinz, als ich noch in die Schule gegangen bin. Ich habe ein halbes Jahr am Land während der Sommermonate im Laufe der Schulferien gelernt.

Vorsitzender: Nachdem Sie in der Provinz gelernt haben, können Sie uns vielleicht etwas über die Concurrenz angeben, welche die Provinz­arbeit der Wiener Arbeit macht. Exp. Nr. 72: Ich war während der Schulferien bei meiner Großmutter in Wimpassing an der Leitha auf dem Lande. Dort war eine Näherin, die für die Marktleute genäht hat, wenn zum Beispiel in Langeck Markt war. Sie hat auch für große Geschäfte in der Provinz gearbeitet. Nun wurden aber die Schürzen in Wien noch billiger geliefert, und deshalb ist sie zu Grunde gegangen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich habe auch das Miedernähen gelernt, und zwar zwei­mal. Das erste Mal habe ich für sechs Wochen Lernzeit fl. 10 gezahlt. Da habe ich aber nur die sogenannten6 kr.-Mieder" machen können. Davon konnte ich nicht leben. Die Frau war sehr secant und wollte, daß ich mehr arbeiten soll, und da habe ich eingesehen, daß ich nochmal lernen muß. Da bin ich