dann zu einer anderen Frau gegangen und habe die Sache ordentlich ge­lernt. Ich habe dafür fl. 5 gezahlt, und fl. 5 bin ich noch schuldig. Ich arbeite nur für Privatkundfchaften und verdiene fl. 2 bis 3 in der Woche. Bei uns in der Gaffe ist eine Pfaidlerin, die mich an die Kund­schaften recommandirt. Wiewohl ich die Mieder nur nähe, so liefere ich doch ganze Mieder. Ich erhalte die Mieder, dann gebe ich es zum Appre­tiern und zahle dafür 10 kr.; nachdem ich es genäht habe, gebe ich es zum Ausfertigen und zahle wieder 10 kr.. und das Einziehen besorge ich selbst. Gewöhnlich mache ich es auch so, daß ich in die Fabrik gehe und ein Mieder kaufe und es dann an die Kundschaften theuerer verkaufe.

Exp. Nr. 73 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin in einer Miederfabrik, in welcher 40 bis 44 Arbeiterinnen beschäftigt find. Dort sind zwei Zuschneider, ein Helfer und drei Einfasser. An Arbeiterinnen sind dort 5 Stickerinnen und 20 Ausfertigerinnen, und im Hause selbst ist nur eine Näherin. Außer Haus sind 120 bis 140 Näherinnen. DieErste" im Geschäfte hat fl. 7'50 Wochenlohn. Die Einfasferinnen erhalten Stücklohn. Wir haben eine, die fl. 10 bis 11 verdient; die müssen die Wolle und das Petroleum beistellen. Die Wolle kostet 40 bis 50 kr. wöchentlich. Die Stickerinnen verdienen fl. 5 bis 7. Arbeitszeit ist im Winter von ^8 Uhr Früh bis '/«8 Uhr Abends, im Sommer von 7 Uhr Früh bis 7 Uhr Abends. Wir haben zu Mittag, zum Frühstück und zur Jause eine Pause. Manch­mal wird auch Mittags gearbeitet und dafür extra gezahlt. Wir arbeiten am Sonntag nie, an Feiertagen höchstens zwei- bis dreimal im Jahre, und zwar Vormittags. Die Werkstätte ist groß, aber trotzdem ist man sehr ge­drängt. Die Werkstätte ist auch sehr unrein, sie ist im ersten Stock und hat nur vier Fenster Gassenfront, und es arbeiten drin 28 Personen in dem Raume. Ventilation ist keine, aber die Fenster werden alle Tage aufgemacht, auch im Winter auf eine halbe Stunde. Geschenke haben wir keine zu geben. Zu Mittag kaufe ich mir ein Glas Bier, Brot und Wurst; Suppe oder Ge­müse mag ich nicht. In der Früh trinke ich Kaffee, zum Gabelfrühstück esse ich Wurst und trinke ein Glas Wein, zur Jause ein Glas Bier, und Abends kaufe ich mir etwas vom Gasthaus. Im Arbeitslocale werden keine Speisen ge­wärmt. Es wird dort auch nicht geschlafen. Innerhalb der vier Jahre, während welcher ich dort bin, wurde nur ein einziges Mal der Fußboden ge­rieben. Das Fensterputzer: kann nur versteckt von den Mädchen selber besorgt werden, der Herr darf nichts davon wissen, er will nicht, daß Arbeitszeit verloren gehe. Es wird jeden Tag ausgekehrt. Die Wände sind, seitdem ich im Hause bin, noch nicht geweißt worden. Meine Arbeit besteht im Ab­plätten, Streichen und Uebernehmen. Beim Abplätten sitze ich, beim Streichen muß ich stehen. Mein Vorgesetzter ist der Manipulaut, er hat etwas drein­zureden, weil er der Schwiegersohn vom Herrn ist. Er ist aber ein sehr gutmüthiger Mensch, nur wenn er in Zorn gebracht wird, wird er wild. Im Allgemeinen kann ich mich über ihn in keiner Beziehung beklagen. Die Maschinnäherinen verdienen höchstens fl. 5; manche verdienen aber nur fl. 3 bis 3'50. Ich bin also unter meinen Colleginnen verhältnißmäßig sehr gut gestellt. Ich habe den gleichen Verdienst das ganze Jahr mit Abzug der Feiertage. Jn's Theater und auf Unterhaltungen gehe ich manchmal. Auch die Mehrzahl meiner Colleginnen kann sich das leisten, weil sie bei den Eltern wohnen.

Vorsitzender: Oder wenn sie einen Liebhaber haben. Exp. Nr. 73: Auch das.

Dr. Adler: Wie viele unter den 40 bis 44 Arbeiterinnen haben fl. 9? Exp. Nr. 73: Vier bis fünf von den Einfasserinnen.

Dr. Adler: Welches ist die nächste Lohnstufe? Exp. Nr. 73: fl. 6 bis 7; das haben die Stickerinnen, Näherinnen und Appreteurinnen. Dann haben etwa neun oder zehn von den besseren Einzieherinnen etwa