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Engel: Warum gehören Sie nicht einem Krankenvereine an? Es gibt ja auch Privat-Krankenvereine. — Exp. Nr. 77: Ich bin bei dem Vereine „Eintracht" und zahle im Monate 85 kr. Da bekomme ich fl. 8 pro Woche. Einem Fachvereine gehöre ich nicht an. Auch mein Mann nicht.
Schluß der Sitzung 11 Uhr Abends.
14. Sitzung, Sonntag, 15. Mär;, Vormittags.
Vorfihender: Pros. Dr. Kaizl.
Beginn 9 Uhr 45 Minuten.
Vorsitzender: Ich eröffne die Sitzung. Wir werden zunächst zwei Expertinnen aus der Wäscherbranche vernehmen.
Expertin Nr. 78 : Ich bin in einer Wäschefabrik und in diesem Betriebe seit neun Jahren. Ich arbeite von 7 bis 7 Uhr. Es sind dort nur zwei Wäscherinnen. Die Arbeit ist das ganze Jahr hindurch gleich. Die Waschmaschinen werden mit Dampf betrieben. Wir bekommen fl. 6 bis 7, die Erste hat fl. 8. Hausarbeit gibt es nicht. Lohnabzüge kommen nicht vor. Wir haben nur Mittags eine Stunde, sonst keine Pause. Wir werden nach der Woche gezahlt. Es wird zwar nicht nachgesehen, wie viel man arbeitet, aber man wird schon darnach angetrieben. Wir haben eine 14tägige Kündigungsfrist. Das Arbeitslocal ist ebenerdig. Es ist nicht sehr gesund, denn es ist sehr finster und voll Dampf. Im Sommer ist es sehr heiß, im Winter kalt. Eine Erkältung ist sehr leicht möglich. Ich war erst jüngst fünf Wochen krank. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder. Der Verdienst meines Mannes ist schlecht. Er hat oft nur drei bis vier Tage in der Woche Arbeit. Ein Kind ist fünf, eines zweieinhalb Jahre und eines fünf Monate alt. Die Kinder habe ich aus dem Lande in der Kost, für das eine zahle ich fl. 8, für das zweite fl. 7 und für das dritte fl. 4 monatlich. Für das älteste Kind zahle ich weniger, denn dieses braucht nicht mehr so viel Aufsicht.
Vorsitzender: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihre Kinder in die Kost zu geben? — Exp. Nr. 78: Der Verdienst meines Mannes ist unsicher. Wie kann ich da mit den Kindern leben und Zins zahlen? So bin ich gezwungen, sie wegzugeben und in die Arbeit zu gehen.
Vorsitzender: Kommen Sie mit den Kindern zusammen? — Exp. Nr. 78 : Heute ist mein Mann zu dem Einen hingefahren, das in einer kleinen Stadt in Niederösterreich ist. Die zwei älteren Buben sind in Deutschböhmen. Ich habe sie seit Pfingsten vorigen Jahres nicht gesehen.
Dr. Frey: Wie viel Arbeiterinnen sind sonst in der Fabrik beschäftigt? — Exp. Nr. 78: Im Ganzen 30 Personen. Das sind Näherinnen, Streiferinnen und Büglerinnen. Sie arbeiten auch von 7 bis 7. Ueberstunden haben wir nicht. Wir arbeiten oft bis 8, Hs9 und 9 Uhr, wenn wir mit der Arbeit nicht nachkommen. Das wird uns aber nicht gezahlt. Sonntags arbeiten wir nicht, wohl aber an manchen Feiertagen.
Dr. Frey: Wie ist die Arbeitsvermittlung? — Exp. Nr. 78: Ich bin hingegangen und habe mich angefragt.
Wittelshöfer: Wie ist der Vorgang bei der Arbeit? — Expertin Nr. 78: Wir haben nur Krägen und Manschetten. Die kommen in die Maschine, dann kommt Seife und Soda dazu. Dann wird sie zugemacht, und man läßt den Dampf hinein. Darauf wird das Wasser abgelassen und
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