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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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Wittelshöfer: In wie viel Betten? Exp. Nr. 84: Es ist ein Tafelbett mit einer Schublade. Vier Personen schlafen im Tafelbett und zwei in einem Bett.

Dr. Frey: Arbeiten bei Nacht auch die Lehrmädchen? Expertin Nr. 84: Ja, die bekommen dafür aber nichts.

Dr. Frey: Wie lange bleiben sie Lehrmädchen? Exp. Nr. 84: Drei Jahre. Da bekommen sie die ganze Zeit nichts bezahlt.

Dr. Fürth: Was bekommen Sie zu essen? Exp. Nr. 84: In der Früh Kaffee und Semmel, um lO Uhr ein Stück Brot, zu Mittag Suppe, Fleisch, Gemüse, zur Jause Kaffee und Semmel und zum Nacht­mahl 5 kr. und ein Stück Brot. Wenn wir die Nacht durcharbeiten, bekommen wir schwarzen Kaffee.

Dr. Schwiedland: Was waren Ihre Eltern? Exp. Nr. 84: Der Vater ist Conducteur auf der Bahn.

Dr. Schwiedland: Wie sind Sie in das Geschäft gekommen?

Exp. Nr. 84: Meine Tante war dort Köchin, und durch sie bin ich recommandirt worden.

Dr. Schwiedland: Seit wie vielen Jahren sind Sie dabei?

Exp. Nr. 84: Seit 6V2 Jahren.

Dr. Schwiedland: Seit wann haben Sie fl. 7? Expertin Nr. 84: Seit zwei Jahren.

Dr. Schwiedland: Haben Sie keinen Ausgang? Expertin Nr. 84: Nur Sonntags.

Dr. Schwiedland: Haben Ihre Colleginnen Verehrer, mit denen sie dann und wann Ausflüge machen? Exp. Nr. 84: Um 10 Uhr müssen sie zurück sein.

Wittelshöfer: Wenn die Verhältnisse so drückende sind, warum gehen Sie nicht lieber als Stubenmädchen in den Dienst? Expertin Nr. 84: Jede ist nicht dazu geeignet. Wenn man schon seine Lehrzeit durch­gemacht hat und zu den Eltern sagen würde, ich will in den Dienst gehen, so würden sie sagen, ja, wozu hast Du denn gelernt?

Dr. Schwiedland: Wird noch Schweinsurtergrün verwendet? Exp. Nr. 84: Nein.

Dr. Schwiedland: Wie oft sehen Sie Ihre Eltern? Expertin Nr. 84: Alle 14 Tage. Ausgang habe ich alle acht Tage. Man hat aber auch verschiedene Arbeiten für sich.

Dr. Schwiedland: Essen die Tischlergehilsen mit Ihnen zu­sammen? Exp. Nr. 84: Nein.

Dr. Schiff: Wohnen die beiden Herren in derselben Wohnung? Exp. Nr. 84: Ja, in einem anderen Zimmer.

Dr. Schiff: Können Sie die Thür sperren? Exp. Nr. 84: Man kann, aber wir haben nicht gesperrt.

Dr. Schiff: Dürfen Sie nicht? Exp. Nr. 84: Ich glaube nicht.

Dr. Schiff: Sie sagen, er kommt beaufsichtigen, früher haben Sie aber gesagt, daß er davon nichts versteht. Exp. Nr. 84: So viel ver­steht er schon, daß man nicht in die Höhe schauen darf.

Dr. Schiff: Müssen Sie Geschenke machen? Exp. Nr. 84: Früher an die Frau zum Namenstag. Das bat fl. 7 bis 8 gekostet; auch schon fl. 15. Da haben nur die drei Arbeiterinnen zusammengesteuert.

Dr. Schiff: Hat sich die Frau revanchirt? Exp. Nr. 84: Ich habe nichts bemerkt.

Dr. Schiff: Was ist es, wenn man sich verschläft? Exp. Nr. 84: Dann wird man ausgezankt. Im Winter wird nur einmal eingeheizt, und wenn dann an das Nachlegen vergessen wird, wird nicht mehr geheizt. In der Früh wird gelüftet. Das Local reinigen die Arbeiterinnen und die