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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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geht er ihr nach, damit er mit ihr allein ist. Exp. Nr. 83: Unser Herr hat mit Lehrmädchen Kinder gehabt. Er hat für jedes Kind, glaube ich, st. 300 anlegen müssen.

Dr. Schwiedland: Sind diese Mädchen noch in seinem Be­triebe? Exp. Nr. 83: Nein, sie sind weggegangen. Die Eine hat bei ihm nur ein halbes Jahr gelernt.

Dr. Schiff: Wissen Sie, was aus den Mädeln geworden ist? Exp. Nr. 83: Sie sind beim Geschäft.

Dr. Schiff: Erlaubt man Ihnen, bei Fachvereinen zu sein? Exp. Nr. 83: Man muß darauf gefaßt sein, daß man entlassen wird. Exp. Eßl: Dadurch, daß die Arbeiterinnen im Hause wohnen, ist es schwer, dieselben von Versammlungen zu verständigen, weil die Arbeitgeber die Karten in die Hände bekommen. Wenn Eine in eine Versammlung geht, wird sie so lange chicanirt, bis sie entweder geht oder sich verpflichtet, an nichts mehr theilzunehmen.

Herr Karl Kastn er meldet sich zum Wort und macht Mittheilungen über die Zustände, die in der Branche in alter Zeit geherrscht haben, und bemerkt, daß in vielen Betrieben heute noch Pikrinsäure verwendet wird, die sehr schädlich ist.

Schluß der Sitzung 1 Uhr.

15. Sitzung, Sonntag, 15. März» Wachm?)

Vorsitzender: Dr. Verkauf.

Beginn 3 Uhr.

Vorsitzender: Es ist heute noch eine Expertin aus der Cvn- fectionsbranche erschienen. Exp. Nr. 86: Ich bin jetzt seit vier Jahren in einem großen Confectionshause, ich bin Schneiderin und habe früher zu Hause gearbeitet. Jetzt bin ich beim Verkauf, gehe zu den Damen probiren und Toiletten liefern.

Vorsitzender: Theilen Sie uns zunächst Einiges über Ihre frühere Beschäftigung mit. Exp. Nr. 86: Ich habe mit meiner - Schwester zusammen für Privatkunden gearbeitet.

Vorsitzender: Wie groß ist das Personal in dem Confections- ^ Hause? Exp. Nr. 86: 16 Fräulein und 17 Herren bei der Consection,

*) Bei dieser Sitzung wurden Experten aus der Branche der Pinsel- und Bürstenmacher und Dachdecker, sowie eine Expertin aus der Confectionsbranche einvernommen. Das stenographische Protokoll über diese Sitzung ist jedoch zum größten Theile abhanden gekommen und nur ein Bruchstück, nämlich die Aussage der Expertin aus der Confectionsbranche, ist vollständig erhalten. Die Commission beschloß daher, für den 5. Juni 1896 eine neue öffentliche EnquStesitzung auszu­schreiben, in welcher sämmtliche Experten des Sitzungstages vom 15. März aus den beiden erwähnten Branchen neuerlich einvernommen wurden. Es folgt somit hier zunächst das erhalten gebliebene Bruchstück der Sitzung vom 15. März, näm­lich die Aussage der Expertin aus der Confectionsbranche, und dann das Protokoll der Sitzung vom 5. Juni 1896, welche eine getreue Wiederholung und Bestäti­gung der früheren Depositionen ergeben hat. Es wird noch bemerkt, daß bei der Sitzung vom 5. Juni nicht nur dieselben Experten, sondern auch dieselbe En- qnöte-Commission fungirte, welche am 15. März die Erhebungen gepflogen hat.