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Nr. 89: Ja, ich könnte Fälle angeben, wo ich sehr fleißig gearbeitet habe, nicht nach rechts oder nach links geschaut und nur acht Bürsten, das Stück zu 5 kr., pro Tag gemacht habe. Es gibt auch Arbeiterinnen, die nur drei oder fünf Bürsten zu 5 kr. gemacht haben.

Vorsitzender: In welcher Zeit? Exp. Nr. 89: Den ganzen Tag, von 7 Uhr Früh bis 8 Uhr Abends.

Vorsitzender: Und wie ist es, wenn Sie Bürsten machen, wofür Sie 25 kr. per 1000 Löcher bekommen? Exp. Nr. 89: Das kommt aus die Qualität an. Es gibt Bürsten, die besser, und solche, die recht schlecht einzuziehen sind. Wenn die Kleiderbürsten feiner und schöner sein sollen, so müssen wir erst Fasern fangen. Die Borsten, die zu groß sind, müssen ab­geschnitten, zusammengenommen und ausgebeutelt werden. Die kurzen Borsten werden zu Kopfbürsten verwendet. Sind schwarze und weiße Borsten mit einander vermengt, so muß man sie erst aussuchen. Das erfordert viel mehr Zeit als bei den gewöhnlichen Kleiderbürsten, bei welchen 3000 Löcher an einem Tage fertiggestellt werden können.

Vorsitzender: Im besten Falle kann man da im Tag fl. 1, schlechteu- falls aber nur 75 kr. verdienen? Exp. Nr. 89: Gewöhnlich nur 75 kr.

Vorsitzender: Und bei Kopsbürsten verdienen Sie 40 kr.? Exp. Nr. 89: Ja.

Vorsitzender: Kommt es oft vor, daß Sie eine solche Arbeit haben?

Exp. Nr. 89: Jetzt war eine ganze Woche Lieferung von Kopsbürsten.

Vorsitzender: Haben Sie nie einen höheren Lohn verlangt? Exp. Nr. 89: Nein, das wäre ganz vergeblich gewesen. Der Herr sagt da einfach:Ich sperre meine Bude zu; ich zahle sticht mehr."

Vorsitzender: Bekommt er andere Arbeiterinnen leicht? Expertin Nr. 89: Für den Moment zwar nicht und er macht sich auch nichts daraus, jetzt, wo die Geschäfte so schlecht gehen, den Laden aus vier Wochen zu sperren aber schließlich bekommt er doch Arbeiterinnen.

Vorsitzender: Haben Sie eine Saison? Exp. Nr. 89: Die Arbeit ist nicht gleichmäßig aus das ganze Jahr vertheilt. Zweimal im Jahre ist gute Zeit, zweimal schlechte. Im Sommer, wenn die meisten Leute aufs Land gehen, ist weniger zu thun. Das dauert bis zum Herbst, wo wieder viel zu thun ist. Von Weihnachten bis nach Neujahr ist wieder weniger Beschäftigung, dann beginnt wieder die Arbeit, so daß im Ganzen ungefähr gleichlang die gute und die schlechte Saison dauert. Wir spüren das insoferne, als in der schlechten Zeit uns der Herr mit Kleiderbürsten nicht hinreichend versorgen kann und wir daher hübsch viel Kopfbürsten zu machen haben.

Vorsitzender: Eine Verkürzung der Arbeitszeit kommt nicht vor?

Exp. Nr. 89: Im Gegentheil. Wir Frauen haben elf Stunden gearbeitet. Erst seit Ostern weil das Geschäft so schlecht geht hat uns der Herr erlaubt, um 6 Uhr nach Hanse zu gehen, sonst müßten wir bis 7 Uhr arbeiten. Wir haben eigentlich eine elfstündige Arbeitszeit, die Männer gehen aber immer um 0 Uhr nach Hause. Diese längere Arbeitszeit der Frauen bedeutete eine Strafe, die vor zwei Jahren verhängt worden ist. Es war nämlich eine Postarbeit zu liefern, und die Arbeiterinnen hätten länger bleiben sollen als bis 6 Uhr. Die Zeit war aber zu verlockend und zu schön, und da sind sie davon, ohne daß es der Herr wußte. Am nächsten Tage aber hat der Herr gesagt:Weil Ihr gestern davon seid, müßt Ihr jetzt immer bis 7 Uhr arbeiten," und das würde noch bis jetzt fortgedauert haben, wenn nicht das Geschäft so schlecht ginge.

Vorsitzender: Sind das noch dieselben Arbeiterinnen, die damals gestraft worden sind ? Erp. Nr. 89: Die meisten. Ich bin später ein­getreten, habe aber mitleiden müssen.