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die einen unrichtigen Eindruck macheu müssen, richtigstellen. Ich war nicht Arbeiterführer, sondern Obmann des Gehilfenausschusses und in vielen Corporationen, die seinerzeit die Gewerbeordnung gebracht hat, thätig. Als solcher hatte ich in einer Sitzung ein Schriftstück zu unterzeichnen, in welchem auch Herr Scheibe der Behörde angezeigt wurde. Dem habe ich damals die Schuld beigemessen, daß Herr Scheibe mich nicht in Arbeit genommen hat. Damals sind vom 27. Februar bis zum 8. August 1690 bei einer Maschine neun Verletzungen vorgekommen; ich mußte damals auf Beschluß des Gehilsenausschusses die Eingabe machen, und dem kann sich ein Vertreter der Arbeiter doch nicht entziehen. Ich erwähne dabei, daß auf diese Ein­gabe weder vom Gewerbe-Jnspectorat noch von der Behörde eine Antwort gekommen ist.

Dr. Verkauf: Herr Veith, ich bitte uns zu sagen, wie viel kann ein Mädchen nach Ihrer Erfahrung im Tage falzen? Exp. Veith: Mir ist eine der tüchtigsten Arbeiterinnen vorgekommen, welche 4000 Bogen im Tage gefalzt hat. Am Morgen falzt sie 1000 Bogen in zwei Stunden, aber Nachmittags von 1 bis 0 Uhr falzt sie keine 2000 Bogen mehr. Ich halte 5000 Bogen nicht für möglich. Ich falze nicht einmal 2000 Bogen, ich bin zu müde, und dazu muß man sehr kräftig sein.

Vorsitzender: Wenn Kraft eine besondere Voraussetzung für diese Arbeit ist, warum verwendet man nicht Männer dazu? Exp. Veith: Weil der Lohn eine sinkende Tendenz hat und die Männer mit einem der­artigen Lohne ihr Auskommen nicht finden können. Aber anstrengend ist die Arbeit gewiß; stellen Sie sich vor, wenn man 12.000 Striche mit dem Arme im Tag machen muß. Herr Scheibe zahlt 28 kr., aber es gibt Unternehmer, welche 16 oder 18 kr. zahlen. Ich habe damals, als die Expertinnen aus­sagten, daß die Arbeiterinnen, wenn nichts zu thun ist, nicht fortgehen dürfen und in der Werkstätte warten müssen, bis Arbeit kommt, bemerkt, daß dies unrichtig ist. Ich bin 20 Jahre in Wien, und es ist mir noch nicht vorgekommen. In allen Werkstätten, wo nichts zu thun ist, dürfen die Arbeiter fortgehen. Jetzt sehe ich aber ein, warum mit Herrn Scheibe überhaupt Niemand concurriren kann; es ist dies meines Erachtens die einzige Werk­stätte, wo dies vorkommt.

Pros. v. Ph i l ip p o v i ch: Gibt es noch andere Strafen außer Geld­strafen; z. B. strafweises Aussetzen der Arbeit oder länger Dableiben? Exp. Scheibe: Daß Arbeiterinnen länger im Locale gehalten wurden, ist einmal vorgekommen unter dem früheren Herrn, wo das Zuspätkommen zu sehr eingelassen ist; das war aber bei zehnstündiger und nicht bei elfstündiger Arbeitszeit. Bei mir ist ja Accordarbeit, und dann kann man es nicht Nach­sitzen nennen, dafür wird ja entlohnt.

Handelskammerrath Franke (meldet sich zum Wort und bemerkt): Herr Veith erwähnte, daß ihm per 1000 Bogen 70 kr. gezahlt wurden, und wollte damit begründen, daß der Arbeitslohn gesunken ist. Ich selbst habe in den Fünfziger-Jahren als Buchbinder in Leipzig gearbeitet und für das Falzen von 1000 Bogen 30 und 25 Pfennige bekommen. Seinerzeit war die Buchbinderei in Wien noch sehr zurück, und als Wien dann später mit Leipzig concurriren mußte, sind die Löhne in Wien den Leipziger Löhnen angepaßt worden. Gewiß ist, daß früher die Löhne unverhältnismäßig höher waren.

Exp. Scheibe: Als ich 1864 nach Wien in die Fabrik S. gekommen bin, wurden den Mädchen 25 kr. für das Falzen von 1000 Bogen von großen Bibeln gezahlt; es wurde auch im Accord gearbeitet. Für schlechte Arbeit wurde nur 20 oder 22 kr. gezahlt. Damals wurde überhaupt bei wenig Buchbindern im Accord gearbeitet; nur die Bibelarbeit, die eine Massen­arbeit war, wurde im Accordlohn gezahlt. Ich selbst war einer der ersten Accordarbeiter, anfangs war ich im Wochenlohn und bin dann avancirt. Männer haben nie gefalzt.

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