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Exp. Ziegler: Was die Strafen Herrn Scheibe's betrifft, so ist das Nachsitzen thatsächlich vorgekommen. Das betreffende Mädchen ist zu spät gekommen und mußte eine Halbe Stunde länger dort bleiben. Ich möchte noch hinzufügen, daß in allen Buchbindereien die Bogen nach dem Zusammen­tragen noch collationirt werden. Denn es kann sehr leicht vorkommen, daß ein Bogen doppelt genommen oder auch ausgelassen wird. Wenn nun solche Fehler vorkommen und sie werden zufällig entdeckt, so kriegen diese Mädchen einen Abzug von 20 bis 50 kr., respective wird auch noch die Hefterin bestraft, wenn sie beim Heften etwas übersehen hat oder wenn sie mehr zusammengeheftet hat als sie soll. Sie kann aber die Bogen doch nicht wieder nachzählen. Es kommt auch vor, daß solche Fehler erst beim Nachsehen oder beim Abpressen entdeckt werden, und die werden dann den Mädchen zur Last gelegt.

Exp. Scheibe: Ich muß da unterbrechen. Es ist nicht einmal vor­gekommen, daß eine Hefterin deshalb gestraft worden wäre; das ist ein Blödsinn. Denn es ist gar nicht denkbar, daß sie oie Schuld trägt.

Exp. Ziegler: Jenes Mädchen, das die Bogen zusammenträgt, kann nichts dafür, wenn es einen Bogen doppelt erwischt oder einen solchen ausläßt. Die Zahl der Bogen wird beim Collationiren constatirt, und das geschieht in jeder Buchbinderei, und kommt ein Fehler vor, so wird das Mädchen gestraft.

Vorsitzender: Herr Experte Scheibe, können Sie uns darüber aufklären? Exp. Scheibe: Das kommt sehr selten vor. Ich kann mich durch lange Zeit nicht erinnern, daß ein Mädchen deshalb bestraft worden wäre.

Vorsitzender: Sie sagten, daß der Werkführer die Strafen ver­hängt, Sie müssen sich also auf den Werkführer verlassen ? Exp. Scheibe: Wenn ein Mädchen glaubt, daß ihm Unrecht geschieht, so kommt es zu mir, und ich sehe die Strafe eventuell nach; sie lassen sich nicht unverdient strafen.

Vorsitzender: Der Werkführer hat also eine große Macht? Exp. Scheibe: Die muß er haben.

Vorsitzender: Glauben Sie nicht, daß die Mädchen aus Furcht vor dem Werksührer es unterlassen, sich zu beschweren? Exp. Scheibe: Ich glaube das nicht.

Vorsitzender: Wer beschließt Entlassungen? Exp. Scheib e: Die Entlassung wird aus Antrag des Werksührers ausgesprochen.

Dr. Rauchberg: Wie viele Tage in der Woche während der flauen Zeit sind die Arbeiterinnen nicht beschäftigt? Exp. Scheibe: Das ist sehr verschieden. Es kann einen halben oder auch zwei bis drei Tage in der Woche dauern; aber in der letzten Woche des Monats ist stets vollauf zu thun.

Dr. Rauchberg: Könnten Sie in Wochen veranschlagen, welche Zeit im Jahre die Arbeiterinnen nichts verdienen? Das wäre für die Be­urtheilung des Jahresverdienstes sehr werthvoll. Exp. Scheibe: Das ist sehr verschieden und jedes Jahr anders.

Dr. Osner: Sagen Sie uns gefälligst, wie hoch stellt sich der Wochenverdienst der Accordarbeiterinnen? Exp. Scheibe: Aus dem Kopfe kann ich das nicht genau sagen, ich war auf diese Frage nicht vor­bereitet, sonst hätte ich das Lohnbuch mitgebracht; doch bin ich bereit, dies schriftlich mitzutheilen.

Dr. Osner: Bei der Buchbinderei haben die Mädchen auch zu kleben; geschieht das Naßmachen mit dem Munde oder sonstwie ? Experte Scheibe: Ich habe große Bretter, die mit einem tuchartigen Stoff über­zogen sind; das wird angefeuchtet und zum Befeuchten des Klebestoffes ver­wendet. Das Befeuchten mit dem Munde kommt nur im Cartonagenfach vor.

Dr. Schwiedland: Hat die Entwicklung der Technik zur Ver-