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Expertin Nr. 99: Ich bin in derselben Fabrik beschäftigt, wie der ExP. X. Früher war ich im Dienst. Ich bin in der Anstreicherei, wo außer der Saison nur fünf Frauen und drei Männer arbeiten, und zwar in demselben Vocale. In der Saison sind dort 25 Frauen beschäftigt. Diese werden, wenn die stille Zeit kommt, nicht direct entlassen, sondern sie müssen nur aussetzen. Sie bekommen aber ihr Buch und können sich wo anders Arbeit suchen.

Vorsitzender: Das ist ja dann kein Aussetzen, sondern eine voll­ständige Entlassung. Exp. Nr. 99: Einige von diesen Arbeiterinnen kommen in der Saison wieder zurück, andere haben anderwärts Arbeit gefunden, so daß man in jeder Saison neue Gesichter sieht. Da kommen Frauen aus den verschiedensten Betrieben und auch Dienstmädchen u. s. w. Unftre Arbeit ist in wenigen Wochen zu erlernen. Anfangs ist man drei Wochen im Lohn, und dann kommt man in Accord. Während dieser drei Wochen erlernen die Mädchen die Arbeit von den Vorarbeiterinnen, welche auch im Wochenlohn stehen. Nach dieser Zeit ist aber die Arbeiterin noch nicht so geschickt, sondern es dauert oft ein halbes Jahr, bis sie ganz perfect ist. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Unsere Arbeit besteht darin, daß wir die Lüster anstreichen, wenn sie aus Nickel sind, mit Lack und Terpentin anlegen und dann bronziren. Da muß man in das Bronzirzimmer gehen, wo sehr viel Bronzestaub herumfliegt; deshalb muß man einen Respirator vor den Mund binden, weil man sonst nicht athmen kann. Viele können diese Arbeit nicht vertragen. Auch sind nur zwei Respiratoren da; wenn daher mehr als zwei Arbeiterinnen im Bronzirzimmer zu thun haben, so. müssen sie sich die Na se mit Watte verstopfen oder ein Tuch vorbinden Wenn die Gegenstände bronzirt sind, so werden sie mit Terpentin geputzt, dann in den Ofen gegeben, hierauf wieder geputzt und dann mit Gold- vernir vernirt. Wenn man mit Lackfarbe arbeitet, so muß man sich auch die Hände mit Terpentin waschen, und davon bekommen manche Arbeiterinnen Ansschläge. Wir benützen im Allgemeinen den Neustädter Terpentin, und für die Arbeit, die nur lackirt wird, den russischen Terpentin. Daß der letztere schädlicher wäre, ist mir nicht bekannt. In unserer Fabrik sind keine Kinder beschäftigt, nur junge Mädchen von 15 Jahren an. Solche arbeiten auch nur in der Saison, vielleicht fünf bis sechs. In der letzten Saison waren im Ganzen vier Mädchen von 15 oder 16 Jahren. Die Saison fängt im Mai an und dauert bis zu Allerheiligen, und dann ist die schlechte Zeit wieder bis znm Mai. Die Arbeiterinnen recrntiren sich meist aus Arbeiter­familien. Arbeitsvermittlung haben wir keine, sondern man muß sich anfragen gehen. Da muß man sich vor das Thürl stellen und vom Portier anschreien lassen, und wenn eine ein hübsches Gesicht hat, so sagt er: Du kommst herein! Der Portier ist überhaupt sehr keck. Wie ich Ärbeit gesucht habe, habe ich auch vor dem Thürl stehen müssen. Da sind überhaupt immer viele Mädchen, in der Saison noch mehr wie jetzt, weil sie wissen, daß mehr Arbeiterinnen aufgenommen werden. Die Arbeiterinnen werden vom Tirector vor Beginn der Arbeit aufgenommen, aber immer nur eine bestimmte Zahl. Da läßt nun der Portier nur die herein, die ihm zu Gesichte stehen, die hübsch sind, die anderen läßt er unten stehen, und sie bekommen keine Arbeit.

Dr. Schiff: Glauben Sie, daß der Portier dies vielleicht über Auftrag thut? Exp. Nr. 99: Nein, aber er ist überhaupt so ein grober Flegel.

(Pernerstorfer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Vorsitzender: Kommt es vor, daß der Portier, da er ja eine Vorliebe für hübsche Mädchen hat, sich auch sonst Unanständigkeiten heraus­nimmt? Exp. Nr. 99: Nein.

Dr. Schiff: Gibt es bei Ihnen eine Kündigungsfrist? Expertin Nr. 99: Nein, es ist in der Fnbriksordnung bekanntgegeben, daß Jeder gehen