gewöhnlich nicht. Man erfährt es gewöhnlich schon einen oder mehrere Tage vorher, wenn Ueberstunden gemacht werden sollen. Es gibt keine Arbeiterinnen, die im Betriebe selbst wohnen. Wir haben Männer als Vorgesetzte, und zwar einen Vorarbeiter, den wirMeister" nennen. Diesem müssen wir zum Namenstag ein Geschenk machen. Dieses Jahr hat Jede 50 tr. her­gegeben, und da wurde ein Cigarrenbonquet gekauft. Aus den Blumen waren nämlich die Cigarren aufgebunden. Der Meister ist nicht höflich. Oft ist er sehr grob und schimpft:Sie Gurkenvieh, Sie gescheerte Sau, ich werf' Sie hinaus!" Vor zwei Tagen wurde er selbst vom Director hinausgeworfen, weil er sich mit zwei Mädeln gespielt hat. Er hat nur denen gute Arbeit gegeben, die sich mit ihm gespielt haben, die anderen hat er sekirt. Die Arbeiterinnen essen in der Früh zu Hause Kaffee, zum Gabelfrühstück Brot mit Quargel oder Butter, oder sie nehmen sich von zu Hause eine Zuspeise mit und wärmen dieselbe. Zu Mittag kaufen sie sich um 5 kr. Suppe oder Zuspeise, aber meistens Roßwürstel. In der Mittagspause darf Niemand im Arbeitslocal bleiben. Es ist eine Kammer da, wo die Arbeiterinnen über Mittag drinn sitzen, im Winter mehr, im Sommer weniger, weil sie im Sommer mehr im Freien sind und auch leichter nach Hause gehen können. Diese Kammer hat zwei Fenster, und es sitzen und essen oft 20 Mädchen darin. Im Sommer arbeiten die Tischler darin, da ist sie voll Hobelscharten und anderen Abfällen. Als Wasch- vorrichtung haben wir erstens ein blechernes Gefäß, in welchem Terpentin darin ist; der Terpentin ist manchmal so schmutzig, daß er picken bleibt. Dann haben wir noch ein Wafferschaff, in der Saison zwei. Da wird unter Tags auch Benzin und Terpentin hineingeschüttet, und wenn Eine aus der Bronzirkammer herauskommt und so voll Staub ist wie eine Müllerin, so muß sie sich in dem schmutzigen Wasser waschen. Handtücher haben wir keine, sondern wir benützen zum Abtrocknen sogenannte Putzfetzen; die sind manchmal so schmutzig, daß es Einen ekelt, sie anzugreifen, auch ist oft Ungeziefer darin.

Dr. Schiff: Warum holen sich die Mädchen kein frisches Wasser, wenn sie sich unter Tags waschen müssen? Exp. Nr. 99: Erstens haben sie keine Zeit, und zweitens sieht es der Vorarbeiter nicht gerne, deshalb traut sich keine.

Dr. Schiff: Revanchirt sich der Vorarbeiter, wenn Sie ihm ein Ge­schenk machen? Exp. Nr. 99: Nein, er sagt nur: Ihr seid's Alle meine Kinder, aber ein paar Stunden darauf schimpft er schon wieder, da sind wir nicht mehr seine Kinder.

Dr. Schiff: Machen Sie auch dem Herrn selbst Geschenke? Exp. Nr. 99: Nein.

Dr. Schiff: Ist es erst vor Kurzem zum ersten Male vorgekommen, daß sich der Vorarbeiter mit den Mädchengespielt" hat? Exp. Nr. 99: Nein, schon öfter, es ist schon einmal eine Arbeiterin deswegen entlassen worden, weil sie in seiner Wohnung war.

Dr. Riedl: Hat der Vorarbeiter auch etwas dagegen, wenn sie sich während der Mittagspause oder am Abend Wasser holen? Exp. Nr. 99: Da schaut eben Jede, daß sie rasch fortkommt. Wir müssen uns aber oft während der Arbeitszeit waschen, denn wenn man zum Beispiel zum Gold- verniren geht, so kann man das nicht mit den bronzirten Händen angreifen. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Beim Arbeiten haben wir eine eigene Kleidung an. Da nehmen wir uns von zu Hause alte Kleider und ziehen uns vor der Arbeit um. Zum Umziehen ist ein Kasten vorhanden; derselbe ist aber sehr schlecht verschlossen, und weil er im Bronzirzimmer steht, so dringt der Staub hinein. Deshalb kann man sich auch kein ordentliches Kleid anziehen, weil es sonst ruinirt würde. Wir haben zum Umziehen keinen eigenen Raum, sondern wir müssen das in Gegenwart der Männer thun.

Frau Schlesinger: Haben Sie nicht vom Geschäft aus Schürzen