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Kammer, die ich allein mit meinem Kinde bewohne. Unter Tags habe ich das Kind, welches jetzt zwei Jahre alt wird, in unserem Hause in der Kost; dafür zahle ich fl. 2 wöchentlich. In der Nacht nehme ich es zu mir. Für die Kammer, die ich selbstständig vom Hausherrn gemiethet habe, zahle ich fl. 3 monatlich. Wenn ich am Sonntag Nachmittag mit dem Kinde spazieren gehe, so muß ich eben am Abend und in der Stacht die Zeit zum Waschen und Nähen verwenden. Ich bin in der Krankenversicherung und zahle dafür 17 kr. Ich bin auch in der Unfallversicherung, dafür wird uns manchmal 1 kr., manchmal 2 kr., manchmal 5 kr. abgezogen; wir wissen überhaupt nicht, was wir zu zahlen haben.

Dr. Schiff: Ist das nicht in der Fabrik angeschlagen?Expertin Nr. 99: Nein.

(Lxp. L: Ja, es ist jetzt angeschlagen worden, aber erst vor kurzer Zeit.

Exp. Nr. 99 (über Befragen des Vorsitzenden): Außer für mein Kind habe ich für Niemand zu sorgen. Das Kind bekommt für die fl. 2 Frühstück, Mittagmahl, Jause und Nachtmahl. Es ist in einer Familie, wo der Mann Schneider ist und die Frau eine Pension hat, und da essen sie alle Tage Fleisch.

Dr. Schiff: Wie viel brauchen Sie für Ihr eigenes Essen im Tag?

Exp. Nr. 99: Für das Frühstück 5 kr., für das Gabelfrühstück 3 bis 4 kr., zu Mittag 3 bis 8 kr., zur Jause 4 bis 5 kr. und zum Nachtmahl Ü bis 10 kr.

Dr. Schiff: Das macht also zusammen täglich etwa 30 kr. und in der Woche fl. 2'10. Nun verdienen Sie aber in der schwachen Saison nur fl. 4, für das Kind zahlen Sie fl. 2, da können Sie also nicht auskommen.

Exp. Nr. 99: Für das Kind zahlt sein Vater monatlich sl. 3.

Dr. Ofner: Was haben Sie verdient, als Sie noch im Dienst waren?

Exp. Nr. 99: Da hatte ich fl. 6 bis 7 monatlich und ganze Verpflegung.

Dr. Ofner: Da ist es Ihnen also besser gegangen; warum sind

Sie dann aus dem Dienst weggegangen? Exp. Nr. 99: Wegen des

Kindes.

Expertin Nr. 100 (über Befragen des Vorsitzenden): Ich bin Besteck- gießerin. Die Arbeit besteht aus Folgendem: Es ist ein Einguß da, wo wir das flüssige Zinn hineinschütten, dann müssen wir die Form in's Metall hineinhalten und heiß machen, hierauf wird sie in die Presse eingespannt und das flüssige Zinn hineingegossen. Dann werden die Löffel abgekühlt. Dazu werden Fetzeln in's Wasser eingetaucht und damit die Sache abgekühlt, indem die ganze Form auf die Fetzeln gelegt wird. Inzwischen muß man wieder eine Form einspannen, damit die Arbeit ununterbrochen weiter geht. Es sind drei solche Formen da. Ich bin in einem großen Betrieb, wo 230

bis 300 Personen beschäftigt sind. In der Gießerei sind 30 Personen be­

schäftigt. Ich bin schon 24 bis 25 Jahre Gießerin, in dieser Fabrik bin ich seit 22 Jahren. Vorher war ich in einer anderen Gießerei. Es gibt im Laufe des Jahres eine Zeit, wo es besser, und eine solche, wo es schlechter geht. Bei dieser Arbeit werden auch Männer beschäftigt, welche dasselbe machen wie wir. Sie sind aber von den Frauen abgesondert. Kinder werden keine beschäftigt. Die Arbeiter recrutiren sich meist aus Arbeiterkreisen. Die jungen Mädchen müssen drei Wochen lang lernen und bekommen während dieser Zeit fl. 1'50pro Woche. Sie lernt die Arbeit von der Collegin, welche dafür keine Entschädigung bekommt. Arbeitsvermittlung haben wir keine, sondern wir müssen nachfragen. Die Mädchen kommen in die Kanzlei und fragen, ob Arbeit da ist. Während der schlechten Zeit wird ausgesetzt, das heißt es werden nur drei Vierteltage gemacht. Arbeitszeit ist von 7 bis 3 Uhr mit einer Stunde Mittagspause, einer Pause von ^9 bis 9 Uhr und einer von ^.4 bis 4 Uhr. Nachtarbeit gibt's bei uns nicht. Ueber- stnnden kommen wohl bei uns vor, aber nur zwei bis drei, wenn starke Arbeit ist. An Sonn- und Feiertagen wird nicht gearbeitet. Kündigungsfrist