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haben wir keine. Wir haben eine Fabriksordnung. Ich bekomme für's Dutzend Löffel 4 kr. und kann, wenn ich fehr fleißig bin, 26 bis 27 Dutzend täglich machen. Manche Tage, wenn ich schlechtes Metall habe, verdiene ich weniger. Im Durchschnitt verdiene ich fl. 6 pro Woche. Der Accordsatz ist immer derselbe, gleichviel ob viel oder wenig Arbeit da ist. Für Ueber- stunden wird auch nach diesem Aceordsatz gezahlt. Es kann keine Arbeit nach Hause genommen werden. Die Männer haben denselben Lohn wie wir, außer wenn sie Gabeln verfertigen, was die Frauen nicht machen. Da be­kommen sie 6 kr. für das Dutzend. Abzüge haben wir keine, sondern, wenn etwas verdorben wird, so muß es wieder eingeschmolzen werden. Für das Znspätkommen müssen wir eine Strafe von 10 kr. zahlen. Ob das in der Fabriksordnung steht, weiß ich nicht; wir haben nämlich jetzt eine neue Fabriksordnnng. Wohin diese Strafgelder kommen, weiß ich nicht. Wie Eine einmal krank war, hat es geheißen, daß ihr davon zugebessert worden ist, aber ich weiß es nicht bestimmt. Ich selbst habe noch keine solche Zubesserung bekommen. Es kommt nicht vor, daß Arbeiterinnen Wohnung oder Kost beim Unternehmer haben. Wir brauchen keine Materialien selbst beizustellen. Wir haben einen männlichen Vorgesetzten, der sich ganz anständig benimmt und dem wir keine Geschenke zu machen brauchen. Er ist schon viele Jahre in dem Betrieb. Ich esse in der Früh Kaffee, zum Gabelfrühstück nehme ich mir etwas mit, zu Mittag esse ich um 7 kr. Zuspeise und Brot, zur Jause Kaffee und Abends Butterbrot. Ich bin verheiratet und habe eine Tochter von 21 Jahren. Ich muß sie aber vollständig erhalten, weil sie ein Krüppel ist. Ich habe sie nämlich als Kind in Kost gehabt, da hat man sie fallen lassen, und sie ist ausgewachsen. Außerdem hat sie einen organischen Fehler. Mein Mann ist schon 18 Jahre nicht in Wien, und ich weiß nichts von ihm; ich weiß nicht einmal, wo er ist. Unser Arbeitslocal ist ebenerdig. Es sind keine Fenster darin, sondern das Licht fällt durch eine Art Glaswand herein. Es ist sehr schmal und sehr lang, etwa doppelt so lang als der Saal, in dem wir uns befinden. Es ist eine Art Gang. Wir müssen selbst täglich auskehren. Für das Feuermachen, nämlich das Anheizen der Kessel, müssen wir einem Arbeiter, welcher das besorgt, Jede wöchentlich 12 kr. zahlen. Früher mußten wir ihm sogar 20 kr. zahlen. In demselben Local sind 24 Arbeiterinnen, da zwölf Kessel sind und bei jedem zwei stehen. Er bekommt also wöchentlich 12mal 24 kr. für das Feuermachen. Die Kohlen müssen wir uns selbst hereintragen. Von der Mittagspause geht viel ver­loren, weil wir in dieser Zeit Arbeit Herrichten müssen u. dergl. Auch das Fensterputzer: müssen wir selbst besorgen. Eine Entschädigung dafür be­kommen wir nicht. In diesem Local essen wir zu Mittag. Manche gehen in's Gasthaus, oder, wenn sie nicht weit haben, nach Hause. Im Sommer setzen wir uns in den Hos hinaus. Ueber Unanständigkeiten von Seite der Männer oder Vorgesetzten haben wir uns nicht zu beklagen.

Dr. Verkauf: Ist es in Ihrem Local im Winter sehr warm? Exp. Nr. 100: Das glaube ich.

Dr. Verkauf: Wenn es aber regnet oder schneit, spüren Sie das? Exp. Nr. 100: Natürlich, denn, offen gesagt, das Local war einmal eine Kegelbudel. Ich sage es Halt, wie es ist. Wenn ich beim Kessel stehe, so stoße ich mit dem Kopf an den Plafond an, weil das Dach so schief heruntergeht.

Dr. Verkauf: Hat das der Gewerbe-Jnspector gesehen? Expertin Nr. 10«>: In den zweiten Hos, wo wir sind, kommt der Gewerbe-Jnspector gar nicht hin. Er denkt gar nicht daran, daß dort noch eine Werkstätte ist.

Mittels höser: Woraus besteht der Fußboden ? Exp. Nr. 100: Aus Ziegeln.

W i tt e l s h ö f e r: Ist Ihnen da in den Füßen nicht kalt? Experte Nr. 100: Nein; es ist dort eine sehr große Hitze.