354

bekommen, immer wieder aus der Classe der Arbeiter herrühren, die selbst wenig oder gar nichts haben.

Frau Schlesinger: Woher uehmen Sie die Kleider sür Jbre Tochter? Exp. Nr. 100: Die muß ich ihr kaufeu.

Frau Schlesiuger: Geht Ihre Tochter auch aus ? Exp. Nr. 100: Manchmal. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich gehöre dem Allgemeinen Krankenversicherungs-Verein an, sonst bin ich in keinem Vereine. Ich habe wenig Lectüre, weil ich schlecht lesen kann; meine Tochter aber kann setzx gut lesen und borgt sich immer Zeitungen aus. Sie war zwölf Jahre krank und im Bett, da habe ich sie tragen müssen wie ein kleines Kind. In der Früh habe ich sie fortgetragen und in der Nacht wieder abgeholt. Sie ist zwar nur drei Jahre lang in die Schule gegangen, hat aber sehr gut gelernt. Sie liest alle Zeitungen, die sie sich ausborgen kann, die Arbeiter-Zeitung", dasExtrablatt", dasWeltblatt".

Frau Schlesinger: Kann sie sich denn gar nicht beschäftigen, mit Nähen oder Stricken? Exp. Nr. 100: Ja, sie kann das Alles, aber sie kann nicht lange arbeiten, weil sie einen organischen Herzfehler hat.

Dr. Schiff: Ist Ihr Verdienst während der 22 Jahre besser oder schlechter geworden? Exp. Nr. 100: Schlechter. Am Anfang, wie die Zinnstahlgießerei erst aufgekommen ist, habe ich fl. 10 bis 11 verdient.

Dr. Schiff: Kommt es daher, daß Sie früher mehr arbeiten konnten? Exp. Nr. 100: Nein, jetzt arbeite ich gerade so viel als früher.

Expertin Nr. 101 (über Befragen des Vorsitzenden): Meine Arbeit besteht darin, daß ich das Messingblech in Streifen schneide. Diese Streifen werden mittelst einer Presse in verschiedene Formen geschnitten, dann wird das geschnittene Metall gestanzt zu Brachen, Knöpfen, Gliedern für Uhr­ketten, meist für Schmuckgegenstände. Ich bin schon 15 Jahre bei dieser Arbeit; in dem jetzigen Betrieb bin ich seit einem Vierteljahre. Dort sind circa 00 Personen, darunter aber drei Frauen. Die Arbeit ist zwar nicht speciell Männerarbeit, aber der Herr zieht Männer vor. In dem früheren Betriebe war ganz dieselbe Arbeit, und da hat man lieber Frauen beschäftigt. In dem jetzigen Betriebe ist die Arbeit nicht gleich. Im Sommer geht's besser, im Winter schlechter. Wir haben Dampf- und Handpressen. Bei uns gibt's keine Hausarbeit. Die Arbeiterinnen reerutiren sich meist aus Arbeiter­kreisen, es sind auch welche aus Familien von Kleingewerbetreibenden. Wenn die Arbeiterin in's Geschäft kommt, so ist sie gewöhnlich gleich im Accord. Sie sind Hilfsarbeiterinnen bis sie sich die nöthige Qualification aneignen. Wir haben keine specielle Arbeitsvermittlung, aber wir benützen die allgemeine Arbeitsvermittlung.

Wittelshöfer: Verrichtet eine Arbeiterin alle die Arbeiten, welche Sie anfangs genannt haben, oder haben Sie Arbeitstheilung? Exp. Nr. 101: Wir haben keine Arbeitstheilung. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Bei der Handpresse sind Frauen beschäftigt, die Arbeit ist ebenso schwer wie bei der Dampfpresse, denn die Kraft, die ich hier im Arm brauche, brauche ich dort im Fuß. Es ist nicht richtig, was der frühere Herr Experte sagte, daß die Arbeit bei der Handpresse leichter ist. Unsere Arbeitszeit ist von 7 bis 12 und von 1 bis 6 Uhr. Außer der Mittagspause haben wir keine, Nachtarbeit haben wir auch keine. An Sonn- und Feiertagen wird nie gearbeitet, weil die Dampfmaschine steht. Kündigungsfrist ist keine, weder von Seite des Herrn, noch von Seite der Arbeiter. Ich bin im Wochenlohn und verdiene im Tag 85 kr. Der Wochenlohn ist das ganze Jahr gleich, nur Feiertage werden abgezogen. Wir haben keine Ausgaben für Rohstoffe zu machen. Für Ueber- stunden werden 2 kr. vom wöchentlichen Lohngulden gezahlt. Die Männer kommen im Lohn etwas höher. Abzüge kommen nicht vor, da man nicht viel verderben kann; auch Strafen nicht. Daß Arbeiterinnen beim Unter-