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nehmer Wohnung oder Kost haben, kommt nicht vor. Wir haben zwei männ­liche Vorgesetzte, einen Werkführer und einen Werkzeugmacher. Es kommt nicht vor, daß denselben Geschenke gemacht werden. Es ist sogar verboten, daß wir uns gegenseitig Geschenke machen, das ist in der Fabriksordnung angeordnet. Unanständigkeiten von Seite der Vorgesetzten haben wir nicht zu'besorgen, denn das sind zwei sehr alte Herren. Einer ist schon 40 Jahre im Haus. Meine Ernährung besteht aus Folgendem: In der Früh trinke ich den obligaten Kaffee, um 10 Uhr esse ich Butterbeot oder ein Stück Wurst mit Brot, zu Mittag gehe ich mit meiner verheirateten Schwester in's Gast­haus, zur Jause esse ich Kaffee, Nachtmahl mache ich mir selbst. Ich habe einen Sohn, der 15 Jahre alt ist. Er ist Ciseleurlehrling und hat die ganze Verpflegung im Haus. Unser Arbeitslocal liegt im Parterre, es sind sechs große Doppelfenster drin. Es arbeiten daselbst 40 Personen. Es ist ein neu­artig gebautes, hohes Local. Die Reinlichkeitsverhältnisse sind schlecht. Es wird täglich gekehrt, geweißt wurde seit zwei Jahren nicht. Die Reinigung wird von den vier Lehrjungen besorgt. Die Fenster werden jährlich einmal geputzt. Es ist ein Abort für alle Leute da. Derselbe befindet sich gleich neben der Werkstätte. Im Local wird zu Mittag nicht gegessen, da dasselbe während der Mittagspause gesperrt ist. Diejenigen, welche zu Mittag nicht nach Hause gehen, gehen in die Volksküche oder zum Greißler. Nur ich gehe mit meiner Schwester in's Gasthaus. Die Arbeiter beklagen sich sehr oft über die Volksküche. Die Arbeiterinnen in unserem Betriebe sind nicht verheiratet. Ich wohne mit meiner verheirateten Schwester zusammen. Wir haben Cabinet und Küche. Dafür zahlt die Schwester fl. 10, und ich gebe ihr fl. 4. Die Wohnung ist in Lerchenfeld. Ich bin in der Krankenversicherung, ob wir auch in der Unfallversicherung sind, weiß ich nicht, es wird uns dafür nichts abgezogen. Vielleicht zahlt es der Herr. In der Fabriksordnung steht nichts davon. Für meinen Sohn habe ick) nur Kleider und Wäsche beizustellen. Deswegen geht es mir verhältnißmäßig besser als Anderen, weil mein Sohn schon für seine Erhaltung sorgt und ich mit meiner verheirateten Schwester lebe. Alle 14 Tage wasche ich die Wäsche, und die übrigen Sonntage kann ich für mich benützen. Wenn es im Sommer schön ist, mache ich manchmal eine Landpartie.

Vorsitzender: Gehören Sie der Organisation an? Expertin Nr. 101: Nein, aber ich mache ohnedies alle Feste und Versammlungen der Arbeiter mit.

Vorsitzender: Lesen Sie auch manchmal eine Zeitung? Expertin Nr. 101: Ja.

Wittelshöser: In Ihrem Betriebe machen die Männer dieselbe Arbeit, welche anderwärts Frauen machen. Arbeiten denn die Männer mehr als die Frauen? Exp. Nr. 101: Nein.

Wittelshöser: Sind die Frauen anderswo für dieselbe Arbeit schlechter bezahlt? Exp. Nr. 101: Ja.

Wittelshöser: Bekommen Sie für das einzelne Stück weniger gezahlt? Exp. Nr. 101: Ja. Ich muß auch noch erwähnen, daß in der Fabrik, wo ich früher war, einer großen Firma aus derselben Branche, sehr viel Strafen und Abzüge vorgekommen sind. Man hat Alles ersetzen müssen, was schlecht gemacht war. Für das Zuspätkommen mußte man 10 kr. Strafe zahlen, für das Plauschen 20 kr. Es hat zwar geheißen, daß aus diesem Gelde Diejenigen eine Aufbesserung bekommen, die krank sind oder sich lädirt haben. Ob das aber zur Auszahlung gekommen ist, davon weiß ich nichts. Auch waren dort mehrere Werksührer, und darunter hatten die Arbeiter zu leiden, denn je mehr Vorgesetzte, desto schlechter.

Vorsitzender: Was für Arbeitszeit war dort? Exp. Nr. 101: Zehn Stunden.

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