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Expertin Nr. 104 (über Befragen seitens des Vorsitzenden): Ich war sechs Jahre in einer großen Lampenfabrik. Seit einem Jahre bin ich dort weg. Vorher war ich bei meinem Manne zu Hause, aber als er krank wurde, mußte ich in die Arbeit gehen. Ich habe keine Kinder. Derzeit sind dort 700 Personen beschäftigt, darunter 200 Frauen; Kinder werden dort nicht beschäftigt, und auch nur wenige jugendliche Personen von 14 bis 17 Jahren. Es werden dort alle Arten von Lampen erzeugt, und zwar mittelst Dampfbetriebes. Die Arbeiterinnen bekommen keine Arbeit nach Hause; nur die Witwen von gestorbenen Arbeitern werden dadurch unter­stützt, daß sie zu Hause das Schneiden der Dochte besorgen; auch die Werk­führer nehmen sich diese Arbeit nach Hause. Lehrmädchen haben wir keine. Unsere Arbeit läßt sich sehr schnell erlernen. Die meisten Arbeiterinnen sind selbst Arbeiterkinder. Gewöhnlich gehen die Kinder in die Fabrik, wenn die Eltern darin arbeiten, so daß gleich ganze Familien bei uns arbeiten. Die jugendlichen Arbeiter bekommen gleich anfangs, wo sie noch nicht so viel arbeiten können wie ein Erwachsener, 70 kr. täglich; es gibt aber auch Er­wachsene, die nur diesen Lohn bekommen. In 8 bis 14 Tagen kann sich ein Anfänger einüben. Wir haben keine Arbeitsvermittlung, sondern man geht an­fragen und wird gleich aufgenommen, denn man braucht dort immer Arbeite­rinnen, da in Folge der schlechten Bezahlung ein starker Wechsel herrscht. Unsere Saison dauert von August bis gegen Weihnachten. Nach der Saison werden einige Wenige entlassen, während die Uebrigen meist zwei bis vier Tage in der Woche aussetzen müssen. Wer aussetzen muß, das bestimmt der Werkführer, der dabei sehr ungerecht vorgeht. Die Eine kann weiter arbeiten, und die Anderen müssen oft vier Tage aussetzen.

Wittelshöfer: Wann wird Ihnen gesagt, daß Sie aussetzen müssen? Exp. Nr. 104 : Ich komme heute hinein, und da wird mir gesagt: Von morgen an müssen Sie aussetzen, und zwar zwei oder drei Tage, je nachdem; nach Ablauf dieser Tage gehe ich wieder hin, und wenn dann noch keine Arbeit da ist, muß ich wieder nach Hause gehen. Unsere Arbeitszeit ist von 7 Uhr Früh bis 6 Uhr Abends, mit einer einstündigen Mittagspause. Frühstücks- und Jausenpause haben wir keine. Ueberstnnden werden nur in der Saison gemacht, manchmal eine, gewöhnlich zwei. Ob hiezn die behörd­liche Bewilligung erlangt wird, weiß ich nicht; denn es wird dies nicht placatirt, sondern man sagt uns nur einfach, wenn Ueberstunden gemacht werden. Die Mittagspause wird streng eingehalten, da darf Niemand im Vocale sein. Zum Gabelfrühstück und zur Jause können wir essen, wenn wir wollen, ohne daß eine eigentliche Pause dafür bestimmt wäre. Am Sonntag wird niemals gearbeitet; nur zum Putzen und Reinigen der Fenster, Thüren und Maschinen sind jeden Sonntag 20 bis 30 Arbeiterinnen bis 2 Uhr in der Fabrik; die werden aber dafür extra bezahlt, sie bekommen fl. 1. An Feiertagen wird bis Mittag gearbeitet; die im Accord arbeiten, bekommen die gleiche Bezahlung wie sonst, und den Wochenarbeitern wird ein halber Tag gezahlt. Wir haben eine achttägige Kündigungsfrist.

Vorsitzender: Wird die immer eingehalten, und woher wissen Sie das? Exp. Nr. 104: Ich habe es von einem Werkführer gehört, und dann ist mir ja selbst nach dem achttägigen Termine gekündigt worden.

Vorsitzender: Warum ist Ihnen gekündigt worden? Expertin Nr. 104: Es hängt das mit dem Strike zusammen. (Ueber Befragen.) Ich war beim Schnitt und beim Pressen beschäftigt. Es ist das eine gefährliche Arbeit, aber es sind nicht allzu häufig Unfälle dabei vorgekommen. Wir besorgen bei den einfachen Brennern das Pressen und das Schneiden der Rohre. Die Brenner werden mit der Handpresse gepreßt: das ist sehr an­strengend. Auch müssen wir das Rad drehen, das vielleicht 20 Kilo wiegt; das muß täglich 7000mal umgedreht werden. Dazu haben wir keinerlei Hilfe, sondern wir müssen das allein machen. Bei dieser Arbeit waren wir