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in der Uebernahme nicht. Nach Hause kann selbstverständlich keine Arbeit genommen werden. Unter den Arbeiterinnen gibt's auch Officierstöchter, Töchter von Geschäftsleuten, besonders in der Uebernahme. Es sind „feinere Leute", die zwar auch nicht mehr haben wie wir, die aber glauben, sie sind mehr. Die Mehrzahl sind natürlich Arbeiterkinder.
Vorsitzender: Wie kommt es daß gerade Officierstöchter bei Ihnen beschäftigt sind? — Exp. Nr. 107: Bei uns hilft halt die Protection. Arbeitsvermittlung haben wir keine. Der Hauptmann nimmt oft die Mädchen, die beim Thor stehen, auf, und welche ihm empfohlen werden, nimmt er halt lieber. Unsere Arbeit besteht in Folgendem: Die Hülsen werden von den Fabrikanten eingeliefert, und da werden von 50.000 500 herausgenommen, untersucht, scharf adjustirt und abgeschossen. Ist bei den 500 Hülsen, die im Schußraume abgeschossen werden, Alles in Ordnung, dann kommen die 50.000 Hülsen zur Vertheilung. Da sind immer fünf Mädchen bei einer Partie. Die Eine untersucht die Hülsen, ob kein Materialfehler oder dergl. vorhanden ist, der unbrauchbare Ausschuß kommt extra in Kisteln. Dann kommen sie zur inneren Aussucherin, welche die Hülsen von innen untersucht, und dann zu einer Arbeiterin, welche sie äußerlich untersucht. Dann kommen die Hülsen zur Stemplerin. Jede Hülse muß eine gewisse Dicke haben, sie darf nicht über Strich, nicht unter Strich gehen, sonst wäre der Geschoßraum dafür zu eng oder zu weit. Hierauf kommen sie zu einer Arbeiterin, welche sie auf ihre Länge untersucht. Sie darf nicht zu lang oder zu kurz sein, sondern muß genau in den Laderaum passen. Diese Arbeiten werden alle sitzend verrichtet und sind für die Augen anstrengend. Denn es kommen ganz kleine Fehler vor, die man kaum sehen kann und die zur Ursache haben, daß die Patrone beim Schießen zerreißt, und das Leben des betreffenden Mannes ist verloren. Nachdem alle diese Arbeiten vorgenommen wurden, kommen alle diese Hülsen in den Zielraum, wo sie die Vorarbeiterin nochmals untersucht, und zwar durch Stichproben, ob nicht irgend ein Fehler übersehen wurde. Hierauf werden die Hülsen in die Verschlüge geleert, wo jugendliche Hilfsarbeiter dieselben schlichten müssen. Hierauf werden sie von den Männern verpackt, und zwar mit Werg u. dergl., und dann auf die Bahn weiter transportirt.
Dr. Hainisch: Worin hat die Saison ihre Ursache? Hängt das vielleicht mit den Manövern zusammen ? — Exp. Nr. 107: Das weiß ich nicht, ich glaube aber, das hängt mit den Anschaffungen und Lieferungen zusammen.
Wittelshöfer: Wie lang dauert die Saison? — Exp. Nr. 107: ^Das ist verschieden. Oft dauert sie sechs bis sieben Monate, jetzt brauchten wir ein ganzes Jahr schon nicht auszusetzen. Wenn weniger Arbeit ist, werden Arbeiterinnen entlassen. Wenn wir aussetzen, bekommen wir unser Arbeitsbuch. Wir stehen unter der Aufsicht von Unterofficieren. Früher hatten wir einen Feuerwerker als Vorgesetzten, der hat sich jede Arbeiterin gemerkt; hat sie gut gearbeitet, so war sie bei ihm gut angeschrieben, und wenn Entlassungen vorgekommen sind, so hat er Abends die Liste derjenigen schlechten Arbeiterinnen vorgelesen, welche aussetzen mußten, das heißt entlassen werden. Jetzt wird es immer schon acht Tage früher gesagt. Wenn eine Arbeiterin aufgenommen wird, so wird sie zu einer Aelteren hingesetzt, welche verpflichtet ist, sie zu unterrichten. Unsere Arbeitszeit ist von 7 bis 6 Uhr, mit einer einstündigen Mittagspause und je einer Viertelstunde Frühstücks- und Jausenpause. Während der Mittagspause dürfen wir nicht im Fabriksranm bleiben. Im Sommer gehen da die Mädchen in einen Park, oder sie gehen in die Cantinen essen. Im Winter sind sie in einer Hvlz- barake, so daß sie vor dem ärgsten Wetter geschützt sind. Diese Holzbarake hat keinen Fußboden und ist erst vor einigen Jahren errichtet worden, früher war auch das nicht vorhanden. Ueberstunden kommen niemals vor. Wir