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arbeiten überhaupt nie beim Licht. Im Winter fangen wir an, wenn es tagt, und hören auf, wenn es finster wird. Da ist auch die Arbeitszeit kürzer. An Sonn- und Feiertagen wird niemals gearbeitet. Wir müssen auch im Winter schon um 7 Uhr in der Arbeit sein, sonst können wir nicht mehr hinein, wiewohl die Arbeit erst dann beginnt, wenn es licht wird, also erst um halb 9 oder 9 Uhr. Inzwischen können wir sitzen und stricken. Am Abend gehen wir im Winter um halb 5 oder 5 Uhr nach Hause. Das hängt von dem betreffenden Officier ab. Wenn einer gut ist, so läßt er uns schon zeitlich nach Hause gehen, wenn einer strenge ist, so haben wir, wenn wir zum Arbeiten nicht mehr gesehen haben, den jugendlichen Arbeiterinnen beim Schlichten helfen müssen. Alle Arbeiterinnen sind im Wochenlohn. Die jugendlichen haben 60 bis 70 kr., und die Vorarbeitern: 90 kr., die Anderen 80 kr. Der Arbeitslohn ist auch dann der gleiche, wenn im Winter die Arbeitszeit kürzer ist. Wenn ausgesetzt werden muß, bekommt man natürlich nichts. Wenn eine Arbeiterin um fünf Minuten zu spät kommt, so läßt sie der Portier noch hinein, kommt sie aber später, so muß sie einen halben Tag aussetzen.
Mittels höfer: Darf man denn nicht fünf Minuten nach 7 Uhr kommen, wenn die Arbeit erst um halb 9 Uhr beginnt? — Exp. Nr. 107: Nein, das ist nicht erlaubt.
Frl. Fickert: Wenn ein Mädchen nach der Entlassung wieder aufgenommen wird, bekommt es den früheren Lohn? — Exp. Nr. 107: Ja. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Es ist bei uns keine Kündigungsfrist. Es wird Einem auch nickits davon gesagt, wenn man aufgenommen wird. Wir haben eine Fabriksordnung, welche im Vorsaale hängt, aber um die kümmert sich Niemand, sondern es bekommt Jede als Bestätigung für das Arbeitsbuch eine Fabriksordnung in die Hand. Früher hat eine Arbeiterin, wenn sie schlecht gearbeitet hat, sofort entlassen werden können, und andererseits brauchten auch die Arbeiterinnen nicht zu kündigen, aber der jetzige Hauptmann sagt es uns acht Tage vorher, wenn Eine entlassen werden soll. Geschenke an Vorgesetzte kommen nicht vor. Unsere Ernährung ist dieselbe, wie bei den anderen Arbeiterinnen; zum Frühstück Kaffee, Diejenigen, welche Eltern haben, essen zu Mittag zu Hause, und die Anderen müssen in der Cantine essen. Im Arsenal sind fünf Cantinen, die alle an verschiedene Wirthe verpachtet sind. Die Arbeiterinnen gehen in alle fünf Cantinen essen. Ich selbst war noch niemals dort, weil ich nach Hause essen gehe. Die Mädchen essen dort Suppe und Zuspeise. Ich glaube nicht, daß sie sich Fleisch vergönnen können. Manche nehmen sich auch Kaffee oder Zuspeise mit, welche sie in der Fabrik auf dem Ofen wärmen und sie dann draußen in dem Bretterraume, von dem ich gesprochen habe, verzehren. Zur Jause haben die Mädchen keinen Kaffee mehr, wenn sie sich ihn nicht zu Mittag von zu Hause mitgenommen haben, und essen meist ein Stück Brot. Die Officierstöchter wollen mit den Arbeiterinnen nicht verkehren. Wir haben eine Majorstochter, welche sagt, sie sei keine Arbeiterin. Sie nimmt sich auch nie Kaffee mit. Sie wohnt, glaube ich, im zehnten Bezirk, in einem Dienstbotenheim. Ich glaube, daß sie in der Cantine ißt.
Frl. Fickert: Kommen in die Cantine znr gleichen Zeit mit den Mädchen auch die Soldaten hinein? — Exp. Nr. 107: Ja, aber die Arbeiterinnen gehen nicht in die Gastzimmer, sondern sie essen in der Küche oder im Gange. Das Arbeitslocal ist hoch und luftig und hat sehr viele Fenster. Es wird dort alle Tage gekehrt. Eine Arbeiterin, die schon lange Jahre dort ist, kehrt aus, und die jungen Arbeiterinnen müssen ihr dabei helsen. Sie bekommt für's Auskehren und Reinigen der Aborte von jeder Arbeiterin 2 kr. wöchentlich.
Dr. v. Fürth: Hat diese Arbeiterin keinen Taglohn? — Expertin Nr. 107: Sie hat einen Wochenlohn von fl. 4'80, und außerdem bekommt
Frauen-Enquvte. 24