Dr. Ofner: Bekommen Sie von der Fabrik auch Seife zum Waschen ? — Exp. Nr. 105: Jede Arbeiterin bekommt alle 14 Tage ein Stückchen Seife und auch ein Handtuch. Alle Arbeiterinnen geben die Seife zusammen, schneiden sie und lassen sie aufkochen. Dann kaufen wir zusammen um 2 kr. Soda dazu, daß es schärfer wird, und damit kann man sich viel besser waschen, als mit den einzelnen Stückchen Seife. Zum Putzen bekommen wir gewaschene Fetzen. Wir gebrauchen sie auch zum Abwischen, da uns ein Handtuch für 14 Tage nicht genügt. Unser Vorgesetzter ist ein Wortführer. Unter uns acht Putzerinnen sind nur zwei ledig und die anderen verheiratet. Eine davon ist schon 15 Jahre im Geschäft. Bei uns sind überhaupt meist solche Arbeiterinnen, die schon lange darin sind. Es kommt auch vor, daß der Mann der betreffenden Arbeiterin auch in der Fabrik beschäftigt ist. Meine Mutter, meine Schwester und ich bewohnen ein Zimmer und eine Küche und zahlen dafür fl. 9 monatlich. Unterhaltungen können wir keine mitmachen. Von uns Beiden muß immer Eiue bei der Mutter bleiben, und wo soll man allein hingehen? Ich bin in der Organisation der Spengler und deren Hilfsarbeiter. Die Arbeiter borgen mir täglich die „Arbeiter-Zeitung" und die „Arbeiterinnen-Zeitung". Auch kaufe ich mir die „Glühlichter".
Mittels höfer: Wird nicht das „Extrablatt" in Arbeiterkreisen viel gelesen? — Exp. Nr. 105: O nein, durchaus nicht.
Vorsitzender: Sind Sie in der Kranken- und Unfallversicherung, und was zahlen Sie? — Exp. Nr. 105: An Krankengeld zahle ich 17 kr. und bekomme im Krankheitsfälle fl. 4'20; für die Unfallversicherung zahle ich nichts.
(Dr. Verkauf überuimmt wieder den Vorsitz.)
Expertin Nr. 106 (gibt über Befragen seitens des Vorsitzenden an): Ich bin seit sechs Monaten in einer Schraubenfabrik. Die eigentliche Technik des Betriebes kenne ich nicht, denn ich bin mit noch drei Arbeiterinnen beim Einpacken beschäftigt. Wir packen die Patentschrauben ein, stempeln und binden die Packete und tragen sie in's Magazin. Arbeitszeit ist von 7 bis 6 Uhr mit einer Stunde Pause, während welcher Niemand im Local bleiben darf. Wir dürfen erst zehn Minuten vor 1 Uhr wieder in die Werkstätte. Der Herr schaut darauf, daß wir in der Früh schou vor 7 Uhr anfangen, und der Magazineur, daß wir nicht früher als drei bis Vier- Minuten nach 12 Uhr aufhören. An Sonntagen wird nie, an Feiertagen nur am Vormittag gearbeitet. Wir haben keine Saison. Mein Lohn beträgt fl. 4'20 wöchentlich. Wir haben keine Kündigungsfrist. Es wird uns aber bei der Aufnahme nichts gesagt, daß das so ist.
Mittels höfer: Wo waren Sie früher beschäftigt? — Expertin Nr. 106: In einer Papierfabrik. Dort war es mit der Arbeitszeit sehr schlecht bestellt. Es war immer sehr wenig zu thun. Eiue Woche lang mußte ich ganz aussetzen, und da bin ich in die Schraubenfabrik in's Eomptoir gegangen, weil ich zufällig erfahren habe, daß ein Platz frei ist, und bin aufgenommen worden. Wenn an Feiertagen nur Vormittags gearbeitet wird, so wird auch nur der Vormittag bezahlt. Strafen sind Abzüge haben wir keine.
Vorsitzender: Können Sie uns etwas über die Lebensweise der anderen Arbeiterinnen sagen ? — Exp. Nr. 106: Eine ist ein Waisenkind und wohnt bei ihrem Vormund. Wenn man sie fragt, was sie zu Mittag gegessen hat, sagt sie: Erdäpfelsalat und Nockerl, oder Nockerl und Krenn, oder Brot und Krenn, aber man hat nie gehört, daß sie eine Suppe ißt. Dann ist eine Witwe da, die sich und ihre Kinder von fl. 4-20 erhalten muß. Ich selbst gehe nach Hanse essen. Zum Frühstück und zur Jause trinke ich Kaffee. Nur ich nehme mir Kaffee mit, den kann ich mir draußen wärmen; die Anderen haben gar nichts zum Gabelfrühstück