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Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
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der morgen die Zeitungen oder das Protokoll lesen wird, wird den vielleicht ganz unberechtigten Eindruck gewinnen, daß es bei Ihnen sehr viele Dinge gibt, welche die Oeffentlichkeit scheuen. Deshalb meine ich, im Interesse Ihres Gewerbes wäre es praktisch, hier Aussagen zu machen. Exp. Priko- sovits: Ich werde die Sache kurz machen. Ich will hier nicht aussagen, sondern nur gegen jenen Artikel Protestiren. Ich lasse mich auch durchaus nicht einschüchtern, denn ich habe nichts zu verhüllen. Ich habe ganz ein­fach kein Mandat, hier zu sprechen, und könnte das nicht verantworten. Sie können ja andere Experten darüber hören, ich schweige ganz einfach.

Herrdegen: Ich habe den Eindruck, als ob der Herr Experte sich in einem Mißverständniß bewegen würde. Sie sagen, daß Sie kein Mandat haben. Nun brauchen Sie aber nur über Ihren Betrieb auszusagen, nicht im Namen Ihrer Genossenschaft; um aber im Namen Ihres eigenen Betriebes zu sprechen, dazu brauchen Sie kein Mandat. Exp. Priko- sovits: Es betrifft das Alles interne Angelegenheiten, und nachdem ich die Stellung eines Ausschusses inne habe, müßte ich erst die Genossenschaft befragen. Ich kann mich von meinem Princip nicht abbringen lassen.

Vorsitzender: Sie sind also lediglich gekommen, um uns mitzu­theilen, daß das Sticken nicht anstrengend ist und daß Sie über etwas Anderes, überinterne Sachen" nicht aussagen. Wir müssen uns damit bescheiden.

Schluß der Sitzung 9 Uhr 30 Minuten.

23. Sitzung, Mittwoch» 25. Wär;, Vormittag.

Vorsitzender: Pernerstorfer.

Beginn der Sitzung 9 Uhr 45 Minuten.

Vorsitzender: Wir werden heute Experten aus der Textilbranche vernehmen, und ersuche ich zunächst den Experten X, uns über das Technische seines Gewerbes Auskunft zu geben. Experte : Ich bin Hilfsarbeiter in der Färberei. Das Gewebe kommt zu uns in rohem Zustande und wird zunächst halb gebleicht oder ausgekocht, wenn es dunkle Farben sind, oder es wird voll gebleicht, wenn es lichte Farben sind. Da wird der Stoff auf Prügeln ausgezogen; oben geht eine Rolle, und da wird er von den Frauen heruntergezogen. In der Bleicherei ist immer ein großer Gestank, der vom Chlorkalk, Soda, Laugenstein und verschiedenen Säuren herrührt. Es kommt auch vor, daß die Frauen einen halben Schuh tief im Wasser stehen müssen; da ziehen sie hohe Holzschuhe an. Wenn die Bleiche fertig ist, wird das Gewebe aufgerollt und kommt in die Färberei. Da sind Maschinen, bei welchen sowohl ausgelernte Färber als Hilfsarbeiter stehen, und nun wird der Stoff mit Seife und Soda behandelt, oft auch chlorirt und mit Säure gedämpft, wobei wieder Gestank entsteht. Hierauf kommt das Gewebe in die Stärkerei und dann in die Calanderhalle. Auf einem Calander sind drei bis fünf schwere Walzen aus Messing oder Eisen, und da wird der Stoff durch mehrere Calander hindurchgelassen. Erst jüngst hat sich ein Arbeiter beim Schmieren der Calander, die warm sein müssen, von drei Fingern die Haut weggerissen und war in Folge dessen drei bis vier Wochen krank. Die Calander dienen dazu, um den Stoff zu pressen und