Dokument 
Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen : Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit, abgehalten in Wien vom 1. März bis 21. April 1896
Entstehung
Seite
401
Einzelbild herunterladen

401

so mit drein: es wird nichts dafür abgezogen. In der Fabrik hat Niemand vom Unternehmer Kost oder Wohnung. Unseren unmittelbaren Vorgesetzten nennen wir Meister. Wir können uns über ihn durchaus nicht beklagen. Es werden ihm keine Geschenke gegeben; und er ist überhaupt nicht zuwider, er benimmt sich durchaus nicht unanständig gegen die Frauen. Ich wohne bei meinen Eltern und gebe ihnen jede Woche st. 3 von meinem Verdienst, sl. U80 brauche ich selbst für meine Kleidung u. s. w. Mein Vater ist Kutscher, meine Mutter ist zu Hause. Ich gehe zum Essen nach Hause und habe es daher besser wie die alleinstehenden Arbeiterinnen. In der Früh trinke ich Kaffee, zum Gabelfrühstück esse ich Wurst, zu Mittag Kaffee mit einer Zuspeise, zur Jause Kaffee und am Abend Suppe oder Zuspeise. Die alleinstehenden Arbeiterinnen, die auch nur sl. 4'80 verdienen, essen zu Mittag eine Zuspeise mit einem Stück Brot.

Die Sengerei liegt ebenerdig. Das Local ist nicht besonders groß, es hat drei Fenster, und es befinden sich in demselben drei Frauen und ein Mann. Es ist darin sehr heiß, ziemlich viel Staub und ein großer Gestank, indem durch das Verbrennen der Stoffsasern ein brenzlicher Geruch ent­steht. Wenn draußen ein Wind geht, so treibt er den Dampf zurück, da brennen uns die Augen. Es ist kein Thermometer im Local. und ich kann daher nicht angeben/wie groß die Hitze ist. Im Winter und im Herbst ist es noch unangenehmer, weil da der Dampf mehr zurückgeschlagen wird, im Sommer ist es besser. Die Fenster können nicht geöffnet werden, weil das mit dem Betriebe nicht vereinbar ist. Wir haben eine Ventilation, welche nicht genügt, um die Lust gehörig zu verbessern. Der Fußboden in dem Local ist aus Steinen. Es wird jeden Samstag von uns Arbeiterinnen auf­gerieben, wir haben dann schon um 3 Uhr Feierabend und besorgen das Putzen und Reinigen. Die Fenster werden alle zwei bis drei Wochen geputzt, aber nicht von den Arbeiterinnen. Die Wände im Local werden auch von uns jeden Samstag abgestaubt, auch wird das Local hie und da geweißt. Wir haben eine genügende Anzahl von Aborten, für Männer und Frauen getrennt; sie sind sehr rein. In der Mittagspause können Die­jenigen, welche nicht nach Hause gehen, in dem Local bleiben, aber während dieser Zeit wird niemals gearbeitet, weil die Maschinen außer Function sind. Jene, welche nicht nach Hanse gehen, essen im Local. Als Wasch- vorrichtnng haben wir ein Wasserschaff und auch Handtücher und Seife. Unter den drei Arbeiterinnen in meinem Zimmer sind zwei ledig und eine verheiratet.

Exp. X: Im Allgemeinen dürfte die Mehrzahl der Arbeiterinnen ledig sein, weil sehr viele erst 10 und 17 Jahre alt sind.

Exp. Nr. lll (über Befragen des Vorsitzenden): Die Wohnung meiner Eltern besteht aus Zimmer, Küche und Cabinet, dafür zahlen die Eltern sl. 13 im Monat. Im Zimmer wohnen meine Eltern, meine Schwester und ich; das Eabinet haben wir au zwei Leute vermiethet.

Vorsitzender: Wer sind die zwei Leute? Exp. Nr. 111: Sie und er. «Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich bin in der Kranken- und Unfallversicherung. Ich habe für keine dritte Person zu sorgen, gehöre auch dem Fachverein an und mache im Sommer vom Verein veranstaltete Ausflüge und auch die Tanzunterhaltungen und dergleichen mit; in's Theater kann ich nicht gehen.

Dr. Btezina: In welchem Alter sind die Arbeiterinnen? Exp. X: Wir haben zwei Arbeiterinnen, die 55 Jahre alt sind. Eine da­von muß täglich von Gaudenzdorf in die Fabrik im m. Bezirk gehen. Es ist anzuerkennen, daß sie nicht entlassen wurde, wiewohl sie schon nicht mehr recht beisammen ist. Ueber 35 Jahre sind sehr wenig.

Dr. Blezina: Wenn eine Arbeiterin schon so alt ist, daß ihr die Arbeit zu mühsam wird, wird sie da entlassen? Exp. X: Nein.

26

Fraiien-EnqiN-tc.