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Tr. Schwiedland: Wenn die Nacht durchgearbeitet wird, setzen dann die Arbeiterinnen am anderen Tage aus? — Exp. Nr. 113: Nein, die arbeiten wieder.
Vorsitzender: Wie lange arbeiten sie dann? Kommt es denn vor, daß sie einen Tag und dann die Nacht und dann wieder den Tag arbeiten?
— Exp. Nr. 113: Ja, dann haben sie die Fenster verhängt, damit Niemand hineinsieht.
Dr. Schwiedland: Wie ist es in der stillen Zeit? — Exp. Nr. 113 : Tann müssen die Mädchen aussetzen, und die, welche nicht aussetzen will, kann gehen. Es wird am Samstag mitgetheilt, daß diesen und diesen Tag der nächsten Woche nicht gearbeitet wird.
Dr. Schwiedland: Was thun die, welche ganz weggehen? —
Exp. Nr. 113: Manche gehen in den Dienst und bleiben dort, wenn sie einen guten Platz finden. Im Allgemeinen aber gehen die Mädchen lieber in die Fabrik als in den Dienst, weil sie da mehr Freiheit haben.
Tr. Rauchberg: Wie oft haben Sie Nachtarbeit gehabt während der vier Monate, wo Sie in diesem Betriebe waren? — Exp. Nr. 113:
Ich selbst habe keine Nachtarbeit gehabt. Der Herr hat einmal von einem Arbeiter die Nachtarbeit verlangt, und da sich dieser geweigert hat, hat er ihm gekündigt. Seit den drei Jahren, wo dieser Herr das Geschäft übernommen hat, haben die Frauen sehr oft Nachtarbeit gehabt, aber während der vier Monate, wo ich dort war, haben wir uns geweigert. In dem anderen Betriebe haben wir nicht in der Nacht gearbeitet.
Tr. Rauchberg: Wenn ausgesetzt wird und eine Arbeiterin will ganz fortgehen, so soll sie doch die 14tägige Kündigungsfrist haben? —
Exp. Nr. 113: So sollte es sein; aber da muß man ihn klagen, sonst bekommt man nichts.
Herrdegen: Ist es nicht schwer, wenn man längere Zeit in einer Fabrik gewesen ist, als Dienstmädchen Verwendung zu finden? — Expertin Nr. 113: Meistens hat eine Arbeiterin ein Dienstbuch und ein Arbeitsbuch.
Dr. Rauchberg: Haben denn die Mädchen hauswirthschaftliche Kenntnisse? — Exp. Nr. 113: Ja.
Dr. Schwiedland: Als was gehen denn diese Mädchen? — Exp. Nr. 113: Als Kindsmädchen oder als Mädchen für Alles.
Dr. Schwiedland: Wenn sie mit 14 Jahren in die Fabrik kommen, wie haben sie denn das Kochen gelernt? — Exp. Nr. 113: Zu Hause.
Tr. Rauchberg: Wie viel Lohn bekommen solche Mädchen gewöhnlich im Dienst? — Exp. Nr. 113: Ich habe sl. 7 gehabt. (Ueber Befragen des Vorsitzenden.) Ich war früher im Taglohn und bin jetzt im Accordlohn.
Im Taglohn verdiente ich wöchentlich fl. 7. An Rohstoffen oder Werkzeugen haben wir nichts beizustellen. In dem einen Betriebe, wo ich vier Monate war, habe ich Ueberstunden gemacht, für die ich 12 kr. bekommen habe. Ich habe mir keine Arbeit nach Hause genommen, wohl aber die Knüpserinnen, welche im Wochenlohn zu fl. 4-50 bis 5 arbeiten. Diese wurden für die Arbeit, » welche sie nach Hause genommen haben, per Dutzend gezahlt, waren also in der Fabrik im Zeitlohn und zu Hause im Stücklohn und verdienten sich, wenn sie bis 11, 12 Uhr Nachts gearbeitet haben, zu Hause noch fl. 1'50 bis fl. 2 in der Woche. In diesem Betriebe wurden für das Zuspätkommen Abzüge gemacht; wenn man um eine Viertelstunde zu spät kam, wurde eine halbe Stunde abgezogen. Sonstige Abzüge kamen nicht vor. Wenn man etwas von der Arbeit verdirbt, kann man es wieder verbessern. Die Winderinnen und Spulerinnen werden nach Kilo bezahlt, die Heimarbeiterinnen per Tutzend. Diese müssen liefern gehen und verlieren durch das Warten oft zwei bis drei Stunden. Ich weiß das daher, weil mein Vater zu Hause webt und die Mutter oft liefern gegangen ist.